Weine und Gastronomie der Marken
Blick über die Weinberge
Die Marken bilden die Mitte Italiens, quasi die Wade des „Stiefels“. Ein guter Ort, denn hier vereint sich das wilde Temperament des Südens mit der Eleganz des Nordens. Der größte Schatz der Region – abgesehen von Trüffeln, die hier in ausgezeichneter Qualität gedeihen – ist der weiße Verdicchio, der inzwischen zu den wichtigsten Weißweinen Italiens zählt. Bitte begleiten Sie uns auf einer Reise quer durch die Region von den Weinbergen rund um Jesi ins bergige Hinterland bei Matelica und hinunter nach Fermo und ins Piceno.
Das Tal um Matelica
(c) Michael Ritter
Schon seit viele Jahren haben Italiens exzellente Rotweine, seien es Amarone, Barolo und Barbaresco oder Brunello und Chianti Classico, um nur einige davon zu nennen, einen Platz in den Weinregalen der Weinfreunde rund um den Globus gefunden. |
Egal, ob Friulano und Pinot Grigio aus dem Collio, Vitovska und Malvasia vom Karst, Garganega, Trebbiano aus dem Gebiet rund um Verona, Fiano, Grechetto und Falanghina aus Kalabrien, Vermentino von Sardinien – das ganze Land von Südtirol m Norden bis hinunter nach Sizilien bietet großartige Weiße, die nicht nur Aufnahme in die elitäre Riege der 3-Gläser-Weine des Gambero Rosso gefunden haben, sondern auch in die Weinkarten experimentierfreudiger Sommeliers. |
Amphorenweine bei Garifoli
(c) Michael Ritter
DIE RÜCKKEHR DES VERDICCHIO
Die Marken bilden die Mitte Italiens, quasi die Wade des „Stiefels“. Ein guter Ort, denn hier vereint sich das wilde Temperament des Südens mit der Eleganz des Nordens. Der größte Schatz der Region – abgesehen von Trüffeln, die hier in ausgezeichneter Qualität gedeihen – ist der weiße Verdicchio, der inzwischen zu den wichtigsten Weißweinen Italiens zählt. |
Die einfacheren Weine der beiden DOCs sind meist unkomplizierte Weine, die durch eine leicht salzige ans nahe Meer erinnernde Mineralität und feine Bitternote gut munden und als Basisqualitäten schon ab 6 Euro zu bekommen sind. |
Grotte di Frasassi
(c) Michael Ritter
UNTERSCHÄTZTE MARKEN
Zugegeben, die Toskana mit Florenz und Pisa oder Latium mit Rom sind von Deutschland leichter zu erreichen, aber auch nach Ascona fliegt Lufthansa dreimal täglich via München. Und von Ascona aus ist man in wenigen Minuten inmitten der Weinberge. Dazu sind die Marken Im Schatten der benachbarten Toskana und Umbriens sind sie für Entdecker ein mehr als empfehlenswertes Reiseziel, an die auch diese Region mit ihrem Mix aus Oliven, Weizen, Wein, den befestigten Örtchen auf den Hügeln, bewaldeten Bergen und den zur Küste strömenden Flüsschen ein wenig erinnert. |
Ampelographisch stammt die Traube von der mittelitalienischen Trebbiano- oder der süditalienischen Greco-Familie ab. Ihr Name wird verständlich, wenn man sich die grüne Farbe der reifen Trauben anschaut, den „verde“ ist das italienische Wort für „grün“. Der spät reifende Wein ist zwar wuchsstark aber ertragsschwach. Dicht gepackt ist die Traube fäulnisempfindlich, braucht viel Pflege und liebt die gute Durchlüftung des Weinbergs. In seiner einfachsten Form ist der junge knackig-frische Wein mit seinen grünen Noten, der markanten Säure und der leichten Bitternote ein preiswerter Durstlöscher, den man – im großen Stahltank großer Weinkeller abgefüllt - auf den Getränkekarten vieler einfacher Lokale findet. |
Jesi Piazza Federico II.
(c) Michael Ritter
BUMMEL DURCH JESI
Die Marken sind keine arme Region, davon kann man sich beim Bummel durch Jesi gut überzeugen. Das historische Zentrum ist voll Kultur und sehr lebendig und vom Autoverkehr weitgehend befreit. Als wir in die Stadt fahren, um in einer Hauptstraße der Unterstadt einen Parkplatz zu finden, beeindrucken die auf römischen Fundamenten errichteten gewaltigen Stadtmauern aus dem 14. Jahrhundert. Riesige Stützpfeiler und mächtige Wehrtürme sichern sie ab und umschließen seit rund 600 Jahren die engen Gassen der Altstadt, die zu Entdeckungsreisen verlocken. |
Abends schlendern Einwohner und Besucher gerne bei der „passeggiata“ über den pfeilgeraden Corso Matteotti, der sich durchs historische Zentrum zieht, kehren ein in die Bars und Cafés ein und plaudern miteinander. Einen Besuch lohnt auch der pompöse Palazzo Pianetti. Atemberaubend ist die Rokokopracht in seinem Inneren mit üppigen Stuckaturen entlang der 76 Meter langen Galerie. |
Blick über die Weinberge der Marken
(c) Michael Ritter
DIE BEIDEN VERDICCHIO DOC ANBAUGEBIeTE
Zurück von der Kultur zum Wein. Die Rebfläche für den Verdicchio dei Castelli di Jesi liegt derzeit bei rund 3.000 Hektar. Die des Verdicchio di Matelica, auf den wir später zurückkommen werden, ist mit gut 300 Hektar wesentlich kleiner. Noch immer gibt es in der rund 50 Jahre alten DOC industriell gefertigte Verdicchios in der einst typischen Amphorenflasche, doch inzwischen haben Winzer und Genossenschaften dazugelernt und die Weine, die wir auf der Reise verkosten, unterscheiden sich massiv von den fast öligen gelben Weinen, die ich vor Jahrzehnten bei Besuchen der Region in den Trattorien vorgesetzt bekam. Damals merkte man, dass die Winzer im Chianti-Gebiet den Kollegen aus den Marken einen Schritt voraus waren. Inzwischen haben sie aufgeholt und das Konsortium achtet bei den DOC und DOCG-Weinen streng auf Qualität.
Garifoli
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DAS WEINGUT GAROFOLI
Unser erster Besuch führt uns nach Loreto ins Weingut der Familie Garofoli, deren Passito wir schon probiert haben. Seit 1871 produzieren die Garofolis Wein und ihr Name ist für viele Weinfreunde gleichbedeutend mit „großartiger Classico“, wie ihnen der italienische Weinführer Gambero Rosso bescheinigt. Gianfranco, einer der beiden Brüder, die das Weingut heute führen, ist der Präsident des Konsortiums Istituto Marchigiano di Tutela Vini, die alle DOCs und DOCGs der Marken vereint. Mit Beatrice, Gianluca und Caterina haben in einigen Bereichen bereits die fünfte Generation das Ruder übernommen. |
Vom einfachen “Serra del Conte” Verdicchio dei Castelli di Jesi Classico DOC 2017 bis zum Podium Verdicchio dei Castelli di Jesi Classico Superiore DOC 2015 mit Pfirsich-, Honigmelonen und Aprikosen-Aromen eine gute, auch in Deutschland erhältliche Wahl. |
Der Monte Conero
(c) Michael Ritter
DER MONTE CONERO
Auf der Rückfahrt zu unserem Hotel kehren wir zum Abendessen im bei Vogelfreunden beliebten Dorf Sirolo ein, das 125 Meter über dem Meer südlich des Monte Cònero liegt, auf den man von hier einen zauberhaften Blick hat. Der Bergpark ist reich an typisch mediterraner Flora mit Erdbeerbäumen, Steineichen, Kiefern, Ginster und Eiben. Friedrich II. muss den Ort geliebt haben, denn es ist der einzige Ort an der Adriaküste an dem Wanderfalken nisten. |
Der zwischen zwei Klippen gelegene Strand delle Due Sorelle gilt als einer der schönsten Italiens. Liebhaber von Fisch und Meeresfrüchten kann man getrost das Ristorante delle Rose empfehlen, von dessen Terrasse man einen weiten Blick über das Mittelmeer bei guten Weinen der Region und die gute Küche von Inhaber Giorgio Tucchi genießen kann. |
Cupramontana
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IM GEBIET DER CASTELLI DI JESI
Der nächste Morgen bringt uns auf die Autobahn in Richtung Norden. Vorbei an Ancona und dem Flughafen geht es bis auf die Höhe des Seebads Senigallia von wo aus wir ins hügelige Hinterland nach Ostra Vetere fahren. Unser Ziel ist das Weingut Villa Bucci. Deren lange Weinbautradition reicht zurück bis in das 17. Jahrhundert. Auf einem riesigen Landgut betreibt die Familie um Ampelio Bucci Landwirtschaft. Wein ist dabei auf 31 Hektar neben Zuckerrüben, Mais, Weizen und 150.000 Olivenbäumen fast nur ein Nebenerwerb, ein Hobby, doch es wird dort mit, wenn wundert es bei diesem Vornamen, mit Herzblut betrieben. |
Aber auch wer Angst hat ihn nicht mehr genießen zu können und nicht die Geduld mitbringt, ihn einfach liegen zu lassen, kann ich beruhigen. Auch jung schmeckt er mit seiner leicht salzigen Note, die das nahe Meer förmlich schmecken lässt, ausgesprochen lecker und trinkbereit. |
Brunori
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BRUNORI
Mit nur 7 Hektar Rebfläche deutlich kleiner als Villa Bucci ist unsere nächste Reisestation: die Fattoria Brunori in San Nicolò. Der Name Brunori gehört zu den edlen Nachnamen des Verdicchio und auch San Nicolò ist über die Marken hinaus als erstklassiger Weinberg mit vielen alten Reben bekannt. Mario Brunori hatte bei der Gründung des Weinguts in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts auf diese Rebsorte gesetzt, der zwischenzeitlich dort organisch an- und ausgebaut wird, wie auch erstaunlich viele andere Weingüter der Marken. |
Brunori keltert ihn reinsortig aus der wohl mit dem Aleatico verwandten autochthonen Rebsorte Lacrima, deren Name von der an eine Träne erinnernde Form der Rebe abgeleitet wird. |
Verkostung im Etikettenmuseum Cupramontana
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CUPRAMONTANA DIE HAUPTSTADT DES VERDICCHIO
Unser nächstes Ziel ist die Hauptstadt des Verdicchio: Cupramontana, das jedes Jahr zur Weinlese und der Sagra dell’Uva Tausende von Besuchern anlockt. Rund 150 Weinbauern sind dort Mitglieder der Winzergenossenschaft Colonnara und liefern dort seit 55 Jahren ihre Trauben ab. Rund 1 Million Flaschen produziert die Genossenschaft pro Jahr. Einige der Weinberge der Mitglieder liegen schon fast im Gebirge und erhöhen das Säurevermögen der erstklassigen Verdicchio-Schaumweine, die hier entstehen und die bis zu fünf Jahre auf der Hefe liegen. Flaggschiff ist eben dieser wunderbare Ubaldo Rosi Brut Metodo Classico Riserva Verdicchio DOC mit seinen schönen Kampfer- und Mandelaromen. Erstklassig auch der von speziellen Parzellen gewonnen stille Cuapro Verdicchio dei Castelli di Jesi Doc Classico Superiore mit seinem typischen Mandelduft, der organisch angebaut wird. |
Ein Highlight ist das Untergeschoss des alten Klosters Cupramontana, dass man in ein Internationales Museum für Etiketten umgewandelt hat und das von Colonnara gerne für Weinverkostungen genutzt wird. Dabei zeigt sich erneut, das gute Alterungspotenzial des Verdicchio, als wir bei der Verkostung bis zu einem 1988er zurückgingen. Gut, die 30 Jahre sind nicht spurlos an ihm vorübergegangen und man kann darüber diskutieren, ob damit nicht der Zenit bereits merklich überschritten wurde, aber dennoch begeisterte der Wein mit seiner festen Konsistenz und den reifen Zitrusaromen, die er noch verströmte. |
Botero-Pferd beim Weingut Colognola
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COLOGNOLA, BOTERO UND DIE BEGEISTERUNG FÜR PFERDE
Serena Darini, die agile Tochter des Waschmaschinenproduzenten und Inhabers von Colognola Tenuta Musone Walter Darini trifft uns am Pferd. Unübersehbar steht vor dem Eingang zum Weingut eine überdimensionale dralle Pferdeskulptur des Kolumbianers Francisco Botero. 2013 hat man die Skulptur des damals schon über 80-jährigen, der zu den bekanntesten Künstlern Lateinamerikas gehört, hier aufgestellt. Über den bezahlten Preis wollte Serena nichts erzählen, wiedersprach aber auch nicht beim Vergleich mit den Baukosten des Weinguts. Der Kolumbianer hat sich an der Küste der Toskana in Pietrasanta angesiedelt, das unweit der Marmorbrüche von Carrara liegt. Wie kaum ein anderer Künstler hat er sich mit der Kunstgeschichte und Tradition auseinandergesetzt – von Piero della Francesca bis Picasso. Das merkt man seinen Bildern und Skulpturen an. Sinnlich, üppig. |
Der Classico Superiore Via Condotto begeistert uns mit seinem schönen Aromen, der angenehmen Säure und dem erstklassigen Preis von knapp 8 Euro auf dem deutschen Markt. Komplexer der Labieno, ein Verdicchio Riserva, der zwei Jahre im großen Holzfass auf der Hefe liegt. Gabriele Villani, der schon vor der Übernahme des Weinguts durch die Darini hier war, produziert ihn nach einer traditionellen Methode, bei der er nach der Pressung ganze Trauben Verdicchio in den Tank gibt und damit im Laufe der Jahre eine spannende Aromenvielfalt erzielt. |
Grotte di Frasassi
(c) Michael Ritter
ÜBER DIE GROTTA DI FRASASSI NACH MATELICA
Es macht einen Unterschied, ob man sich für Weine von den Castelli dei Jesi entscheidet oder für Weine aus dem knapp eine Autostunde westlich gelegenen kleineren und kühleren Anbaugebiet Matelica, von deren umgebenden Berghängen man einen Blick auf die massigen Monti Sibellini werfen kann. Die Fahrt dorthin führt entlang des Esino auf einer autobahnähnlich ausgebauten Schnellstraße durch den Regionalpark Golla della Rossa. |
Vom Sammelplatz beim Parkplatz fahren regelmäßige Busse direkt zum Grotteneingang. Schon der "Abisso Ancona", der Zutritt zur Grotte seit seinen Entdeckern fasziniert mit seiner enormen Größe, die sie zu einer der größten Höhlen der Welt machen: 180 Meter lang, 120 Meter breit und imposante 200 Meter hoch. Durch eine Reihe von Erdbewegungen in den vergangenen Jahrtausenden bröckelten einige der Wände und bilden jetzt eine chaotische Anhäufung von Steinblöcken. |
Roberto Potentini Matelica
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VERDICCHIO DI MATELICA DOCG
Roberto Potentini ist einer der großen Macher in Sachen Wein. Der Önologe ist nicht nur in der 1971 gegründeten Genossenschaft Belisario als Direktor tätig, sondern er sitzt auch im Stadtrat und berät andere Winzer des kleinen Weinbaugebiets. „Unsere Weinberge liegen auf 420 bis 900 Metern Höhe“, sagt er und lädt uns dort auf ein Glas seines sehr schön frisch-spritzigen Sekt Cuvée Nadir ein, der auf Basis von Verdicchio im Charmat-Verfahren hergestellt wurde. Von dem Aussichtspunkt oberhalb der Weinberge kann man die 300 Hektar, die fast das gesamte Anbaugebiet des Verdicchio di Matelica DOCG ausmachen, überblicken. |
Optimal für langsame Alterung des Weins, der hier meist etwas dichter ist, als in Jesi. |
Teatro Piermarini
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DAS TEATRO PIERMARINI
Nach dem Besuch am Hang geht es hinunter ins Zentrum der alten Stadt. Nach einem kurzen Bummel über den Corso Vittorio Emanuele der 10.000 Einwohner-Stadt stehen wir vor dem Tor des 1805 von Giuseppe Piermarini erbauten Theaters. Zusammen mit seiner für die Kultur und den Tourismus zuständigen Kollegin im Stadtrat hat Potentini dafür gesorgt, dass eine kleine Enoteca und Bar das historische Theater neu beleben. Der eindrucksvolle Theatersaal ist ein Spätwerk des Architekten Piermarini, der mit seinem bekanntesten Theater, der Mailänder Scala, jedem Opernfreund ein Begriff ist. In einem winzigen Örtchen hätte man so etwas nicht vermutet. Was hätte ein schönerer Abschluss eines gelungenen Kurzbesuchs im Reich des Verdicchio von Matelica sein können, als eine Verkostung der Weine von Matelica in dieser einzigartigen Umgebung. |
Dabei werden die Trauben nach dem Abbeeren gemahlen und bleiben bis zu 24 Stunden bei niedrigen Temperaturen auf den Schalen, ohne dass der Most dabei gärt. Die so entzogenen Farbpigmente und Phenole reichern den Wein später geschmacklich an. Seine Reifung erlebt der Wein im Stahltank und - zum Teil - im Leichenfass. Ein sehr gelungener Wein. Insgesamt zeigte aber auch die anderen Weine, die Potentini in einer kleinen Verkostung unterschiedlicher Weingüter, Qualitätsstufen und Jahrgänge präsentiert, ein erfreulich hohes Niveau. Etliche der älteren Weine zeigten dabei noch eine unerwartete Frische und Lebendigkeit, die im besonderen Mikroklima von Matelica leichter zu erzielen ist als in der tiefer liegenden Region rund um die Castelli di Jesi. 2009 verlieh man dem Verdicchio di Matelica Riserva DOCG-Status. |
Sirolo und der Monte Conero
(c) Pixabay CC0
ROSSO CONERO
Unser Hotel Gens Camuria der Brüder Gatti in Camerano ist ebenfalls ein Weingut. Das Hotel ist beliebt bei deutschen Gästen, denn einer der beiden Brüder spricht perfekt deutsch. Viele davon legen sich auf dem Rückweg nach Deutschland gern ein paar Tetrapacks Wein in den Kofferraum. Das Anfang des Jahrtausends in einem alten Bauernhaus aus dem 19. Jahrhundert errichtete Hotel ist gut angebunden und nur eine Autobahn-Ausfahrt vom Flughafen Ancona entfernt. Leider ist die gute Verkehrsanbindung kaum zu überhören, denn das hübsche Hotel liegt zwischen der stark befahrenen Straße auf der einen Seite und Autobahn und Schnellbahntrasse auf der anderen Seite. Das Frühstück kommt direkt vom Bauernhof der Familie. |
Bei den Weinen handelt es sich hier um Rosso Conero, der zeitgleich mit dem Verdicchio 1967 DOC-Status erhielt und hier auf insgesamt 600 Hektar wächst. |
Marilena Cocci Grifoni
(c) Michael Ritter
COCCI GRIFONI
Am Morgen des dritten Tags machen wir uns auf in Richtung Süden. Mit Cocci Griffoni steht ein Weingut am Anfang unseres Tagesprogramms, dessen Bekanntschaft ich zufällig bei der diesjährigen ProWein in Düsseldorf gemacht hatte. Durch Zugverspätungen traf ich am Samstag erst spät am Nachmittag in Düsseldorf ein und irrte auf der noch nicht eröffneten Messe ein wenig auf der Suche nach der 3 Gläser-Verkostung des Gambero Rosso umher. Leicht verkühlt von den noch winterlichen Temperaturen, durch die ich in Düsseldorf stampfen musste nahm ich schließlich die U-Bahn zurück ins Zentrum, von wo aus ich noch einige Kilometer nach Süden fahren musste, nachdem mein Airbnb-Zimmer in der Vorwoche kurzerhand vom Vermieter storniert wurde. Meine Nachbarn in der Sitzbank litten mit mir, sprachen Italienisch und so kamen wir über kurz oder lang ins Gespräch. Italienische Winzer aus den Marken. Ich erzählte ihnen, dass ich vor einiger Zeit einmal den Verdicchio rund um Jesi verkostet hätte, aber in Sachen Wein noch nicht in den Süden der Marken vorgedrungen sei. Wir vereinbarten einen Termin auf der Messe und Marilena Cocci Griffoni stellte mir dort ihre Weine mit den neuen Etiketten mit der Flora und Fauna der Region und auf einem Tablet die Landschaft vor, in der sie wuchsen. |
Cocci Grifoni legen ein Hauptaugenmerk auf autochthone Reben. Wie schon eingangs berichtet, hatte es mir besonders der Pecorino angetan. Die autochthone Weißweinsorte hat hier ihren Ursprung und breitete sich später auch auf andere Regionen Mittelitaliens wie die Abruzzen und Teile des Latiums und Umbrien aus, bevor sie vor rund 100 Jahren in Vergessenheit geriet. Groß ist das Anbaugebiet der frühreifenden und wuchsfreudigen Sorte auch heute nicht, doch die Verfünffachung der Rebfläche zwischen der Jahrtausendwende und 2010 auf über 1.100 Hektar spricht eine deutliche Sprache |
Torre Civica von Toritoli
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EIN RUNDGANG DURCH PETRITOLI
Fast schon mit einem Bedauern verlassen wir an diesem sonnigen Frühsommertag die Tenuta und Marilena Cocci Grifoni und machen uns auf den Weg ins einige Kilometer nördlich gelegene mittelalterliche Petritoli, von dem die meisten von uns noch nie zuvor gehört hatten. Zu Unrecht, wie sich herausstellte. Wir betreten den im 10. Jahrhundert von Mönchen des Klosters Farfa geründeten Ort durch ein monumentales Tor und sind beeindruckt von den Gässchen, den alten Kirchen, Klöstern und Häusern und dem 40 Meter hohen Torre Civica rund um die malerischen Plätze. Seit 2012 ist der kleine Ort beliebtes Ziel für Paare aus Deutschland, Holland und Frankreich, die sich in dem pittoresken Ort trauen lassen und so der sonst schwachen örtlichen Wirtschaft Auftrieb verleihen. Überhaupt scheinen die Holländer dem kleinen Ort mehr Aufmerksamkeit zu widmen als die Italiener, denn wer bei Wikipedia vorbeschaut erfährt in der deutschen Version wenig, im Italienischen etwas mehr und in der niederländischen Version sehr viel über die kleine Stadt und ihre Attraktionen. Ausgesprochen ungewöhnlich. |
Wieder zurück durch das monumentale Stadttor kehren wir ein im Ristorante Re Squarchiò direkt bei dem Platz der Tre Archi und pflegt eine traditionelle Cucina Marchegiana. Hier, ein paar Kilometer entfernt von der Küste machen sich die Fische und Meeresfrüchte rar und stattdessen landen Salami, Käse, kräftige Nudelgerichte mit Fleisch und Öl aus der Region auf dem Tisch. Auch eines der spannendsten Gerichte des Piceno kommt auf den Tisch: Olive Ascolane, die man nicht nur in Ascoli Piceno gerne als Street Food angeboten bekommt. Dazu werden die großen in Salzlake eingelegten Oliven der speziell für diesen Leckerbissen genutzten Sorte Ascolana Tenera werden entkernt, mit unterschiedlichen Fleischfüllungen versehen , dann in Mehl, Ei und Semmelbrösel gerollt und anschließend goldgelb frittiert. |
Olivenbaum in den Marken
(c) Michael Ritter
ERSTKLASSIGES OLIVENÖL UND NUDELN
Erstklassig auch das Olivenöl, bei dem man auf eine Vielzahl der anderen Olivensorten wie Sargano, Carboncella, Moraiolo, Leccino, Frantoio, Piantone di Moiano und besonders Piantone di Falerone zurückgreiftund handgelesen daraus zum Beispiel im Frantoio Agostini von Marco und Elia Agostini nach traditioneller Machart verschiedenes von Slowfood und verschiedenen internationalen Wettbewerben prämierte reinsortige Olivenöle oder schmackhafte Cuvées herstellt. |
Langsam wird der hauchdünne Teig gerührt, trocknet dann 48 Stunden in einem langsamen und stufenweisen Verfahren, das von leicht über Zimmertemperatur erhöht wird. Für 1 kg Pasta werden 20 Stück frische Eier von freilaufenden Hühnern verwendet. Als kürzlich der Fibriol-Skandal vor Rückständen in Eiern warnte, konnte La Campofilone stolz auf seine unbelasteten Eier setzen. Slow Food zeichnete das Unternehmen in seinem Führer "Il Buon Pease" als einen der besten handwerklich arbeitenden Kleinproduzenten Italiens aus. Zwar kosten sie in Deutschland mit 5 bis 6,60 Euro pro 250 Gramm-Packung ein Mehrfaches von Industrieware alle Barilla oder Buitoni, doch die sind sie wert. Ich habe die letzten Päckchen bei Eataly gekauft, wo sie günstiger waren. Ein Tipp: kommen sie vorbei. In der Fabrik kosten sie deutlich weniger. |
Luca Renzi und die Amphoren
(c) Michael Ritter
AMPHORENWEINE IM CASTRUM MORISCI
Auf halber Strecke zwischen Petritoli und der Küste machen wir eine Abstecher vom Weingut Castrum Morisci, wo uns Mitinhaber Luca Renzi schon erwartet. Es herrscht Betrieb im Weingut, denn an diesem Samstag feiern die Weingüter der Marken in 76 Weingütern die Cantine Aperte. Auch Marilena hatte sich dabei schon auf einen großen Zulauf vorbereitet. Malerisch liegt das organisch arbeitende Weingut an einem Berghang und wenn man ein wenig um die Ecke des darunter liegenden Val d’Aso schaut, kann man das nahe Mittelmeer erahnen. |
Bei so viel Faible für die Antike wundert fast die Moderne, die über Braille- und QR-Code die Flaschen mit Zusatznutzen ausstattet. Der Falerio Pecorino 003 gefällt uns mit seinen schönen Fruchtaromen sehr gut. |
Weinberge von Terra Fageto
(c) Michael Ritter
TERRA FAGETO - WEINGUT MIT MEERBLICK
Es sind nur wenige Kilometer vom Weingut zur Adriaküste, die wir bei Pedaso erreichen. Dort hat die Familie Di Ruscio ihr Weingut Terra Fageto. Ein Großteil der Produktion findet heute in der modernen Kellerei im Industriegebiet statt, doch Michele und sein Vater nehmen uns lieber direkt zu ihren Weinbergen und dem alten Betrieb, wohlwissend, dass wir von dessen Lage begeistert sein würden. Aufgebaut hat es sein Großvater Dante auf der Steilküste, die weite Blicke über die Adriaküste erlaubt. Sein Vater Claudio hatte es dann von Dante übernommen und das kleine Weingut in die moderne Zeit überführt. Inzwischen haben der zum Sammeln von Erfahrungen einige Zeit nach Kalifornien geflogene Michele und sein Bruder Angelo das 40 Hektar große Weingut Stück für Stück übernommen und es auf organischen Ausbau, und stärkere Internationalisierung getrimmt. |
Inzwischen habe ich die Unterschiede erkannt und konnte mich meinem Namensvetter bei seiner Vorliebe anschließen. Es war gegen Ende des vergangenen Jahrtausends, dass man den Passerina bei Terra Fageto für sich entdeckt hat. Für eine bessere Qualität wird der Ertrag der ertragsstarken Rebe reduziert. Der so entstandene in Edelstahl ausgebaute blasse 2017er Letizia Passerina ist frisch und harmonisch am Gaumen. Die jungen Di Ruscios haben dem Wein eine eigene Flasche mit breiter Schulter und dem geprägten Familienwappen verpasst. Nach den Erfahrungen aus den Abruzzen bin ich zuversichtlich, dass der Wein ebenfalls ein ausgezeichnetes Alterungspotenzial hat. Auch der Fenesia, ein Offida Pecorino DOCG, der ein ausgezeichneter Begleiter zu Meeresfrüchten ist, bringt dieses Alterungsvermögen mit sich, obwohl er schon jetzt wundervolle florale Aromen zeigt. |
Pecorino von Terra Fageto
(c) Michael Ritter
(c) Connaisseur & Gourmet 2021