Der Kraichgau ist wie geschaffen für Burgunder. Schon vor rund 900 Jahren haben die dort lebenden Zisterzienser die Vorzüge der kalkhaltigen Hügel des Kraichgaus erkannt, der wie in ihrer französischen Heimat im Burgund Reben wie Pinot Noir, Pinot Blanc, Pinot Gris, Pinot Meunier, Chardonnay und Auxerrois ideale Voraussetzungen fürs Gedeihen bieten. Warum Bewährtes ändern, sagt sich auch das VDP-Weingut Heitlinger und reserviert über 80 Prozent seiner Rebfläche für dieses faszinierende Erbe.
Das Weingut ist Teil der Heitlinger Genusswelten von Heinz Heiler und seiner Familie. Heiler hatte sich als Immobilienexperte und Bauunternehmer und auch als einer der Mitgründer der erfolgreichen Budget-Hotelkette Motel One einen Namen.
Eigentlich sah es Mitte der 90er Jahre gar nicht gut aus im Kraichgauer Tiefenbach. Dort hatte der von sanft geschwungenen schönen Weinbergen umschlossene Golfplatz Insolvenz angemeldet. Heiler erfuhr davon und hatte es wie bei anderen Gelegenheiten verstanden, gute Gelegenheiten zu erkennen und zu nutzen. Er kaufte ihn, investierte in ein von seiner als Architektin arbeitenden Tochter Christine entworfenes Golf-Resort und entwickelt selbst ein Faible für den Golfsport. Das war auch gut so, denn Christine heiratete mit Warren Jacklin den Sohn der britischen Golflegende Tony Jacklin, Mitglied der elitären World Golf Hall of Fame. Warren übernahm die Leitung der inzwischen zur 5-Sterne-Anlage aufgestiegenen Golf Resorts. Später folgte der Erwerb des Hotels Kreuzberghof und der beiden Weingüter Heitlinger und Burg Ravensberg. Alle zusammen sind sie die von Christine Jacklin geführten Heitlinger Genusswelten, die wir uns in den nächsten Tagen genauer anschauen wollen. Für die Nachfolge in der Familie ist bereits gesorgt, denn Christines Söhne Philip und Patrick übernahmen in diesem Jahr das Weingut Heitlinger, in dem sie und ihr junges Team Geschäftsführer Claus Burmeister beim Winemaking als Mentor unterstützt.
Natürlich interessierte uns zuerst der Wein, als uns im Juni eine Pressemeldung des Weinguts erreichte, dass gerade seine Natural Wines Trilogie präsentierte. „Furchtloser, progressiver Minimalismus“ beschreiben die Macher die 2022er-Kollektion aus Muskateller, Meunier und Müller-Thurgau. Für das Design der Etiketten haben Patrick und Philip Laura Schröder („Laura the Creator“) ins Boot geholt, die bunte Labels in urbanem Stil gestaltete. Natural Weine sind nicht neu, sondern ihre Herstellung ist eine Rückbesinnung auf alte Tugenden. „Zurück zur Natur!“ |
Gerade für Metropolen wie Berlin, wo Laura herkommt, offenbar genau das Richtige. „Die Kollektion kommt dort richtig gut an. Unsere Kunden sind total offen für unsere charakterstarken Natural Wines“, sagt Patrick. Das Motto für die biodynamischen und spontanvergorenen Weine war einfach: „Unfiltered, unbothered, untouched. Oder wie man bei uns sagt: Einfach annerschd!“ Der Wein kommt mit Drehverschluss auf den Markt.
Der Muskateller ist, wie sollte es anders sein, auch als Natural Wine aromatisch. Nicht alle Weinfreunde mögen die unverwechselbare Muskatnote. „Muskateller hat einen Hang zum „opulent Kitschigen“, sagt Philip und hat deshalb, „um dem Wein mehr Grip zu verleihen, einfach zehn Prozent der Trauben mit in den Tank gegeben“. Das reduzierte zwar seine Opulenz, macht aber floral, animierend und nicht sättigend „richtig Spaß“, freut sich der Jungwinzer. Er hat auf den ersten Schluck etwas Limonadiges, doch schnell gewöhnt man sich an seine Eigenheiten und ehe man sich versieht, ist die Flasche schon leer.
Sehr gut gefallen hat uns der Müller-Thurgau. „Unserer Meinung nach gibt es wenige Rebsorten, die so vom „Nichtstun“ profitieren. Drei Tage auf der Maische, Presse, großes Holzfass und Hefekontakt. Und dann erstmal: Hands-off“, sagt Philip Jacklin. Nach einem halben Jahr Reife wurde der Wein mit Trübung abgefüllt. „Trinkfluss sollte der Name dieses Weines sein. Salzzitrone, Nussigkeit, frische Kräuter – mehr braucht es nicht, um das Winzerherz glücklich zu machen!“ Der Wein hat eine schöne Zitrusnote und schmeckt nach frischen Äpfeln mit einem nicht unangenehmen leicht herben Abgang.
Mit dem Meunier ist auch einer der dominierenden Burgunderreben in der Natural Wine Kollektion gelandet. Oft steht die auch Schwarzriesling oder Müller-Rebe, die ihren Namen durch ihre stark behaarten Blätter auf der Unterseite erhielt, die aussehen, als wären sie mit Mehl bestäubt, im Schatten des Pinot Noir. Doch man sollte sie nicht unterschätzen. „Unser Natural Pinot Meunier hat nur kurz die Maische geküsst und besticht durch seine zartrote Farbe. Aber: Kein Vergleich zu einfachem Rosé. Das sei „ein Rotwein zum kühl genießen“, sagt Patrick Jacklin zu dem straffen und trotzdem seriös herkommenden Wein. „Unbeschwert, fruchtig und ohne jeglichen Trinkwiderstand. So gut kann unkonventionell sein!“
(c) Michael Ritter |