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Masi - Der Campofiorin

Masi – Die zweite Gärung des Campofiorin

Manchmal nennen ihn Fremde „Signor Masi“, verrät Sandro Boscaini schelmisch. Dabei sei Masi der Name des kleinen Tals, in dem der erste Weinberg liegt, das dem Weingut gegen Ende des 18. Jahrhunderts den Namen gegeben hat. Verübeln tut es der kunstsinnige Mann aber niemanden, denn er und seine Familie sind sehr eng mit diesem „Vaio di Masi“ verbunden.

Der kleine Weinberg existiert noch immer, doch hat er im Laufe der folgenden sechs Generationen durch kluge Zukäufe zahlreiche Geschwister bekommen. Heute besitzt Masi nicht nur Weinberge in den Classico-Zonen von Valpolicella, Soave und Bardolino sondern auch in anderen Spitzenregionen des Veneto, in der Toskana und in Argentinien.

Sandro Boscaini

Sandro Boscaini führt das Unternehmen zusammen mit seiner Großfamilie. Bruder Sergio ist der Chefönologe, Cousin Roberto ist für die Logistik zuständig und Cousin Dario trägt Verantwortung für die Weinberge. Durch enge Partnerschaft mit Graf Serego Alighieri ist es den Boscainis gelungen, eines der renommiertesten Weingüter hinsichtlich Produktion und Vertrieb eng an das eigene Hause zu binden.

Serego Alighieri geht auf den Sohn des Schöpfers der Göttlichen Komödie, Dante Alighieri, zurück, der seit 1353 Weinberge und Weinkeller in Gargagnano besitzt. Seinen Stammsitz hat das Unternehmen ebenfalls in Gargagnano, im Herzen des Valpolicella, nur wenige Kilometer außerhalb Veronas. Auf 360 ha baut Boscaini in seinen Weinbergen gewissenhaft und zuverlässig ausschließlich Premiumwein an.

Campofiorin

Sandro Boscainis ganzer Stolz gilt dem Campofiorin. Der als Rosso del Veronese klassifizierte Supervenetitan ist keineswegs ein einfacher, noch viel weniger ein einfach zu erklärender Wein. Was die adäquate Vermarktung des aus den Traubensorten Corvina, Rondinella und Molinara gewonnen Spitzenweins erschwert, ist die einzigartige, aber im Prinzip nicht ganz neue Art der Produktion, die als Wiederfermentierung schon Boscainis Vorfahren kannten. 1970 war das erste Produktionsjahr. Masi nannte die Technik Ripasso. Nach der Fermentation gärt der Wein erneut, indem er über trockene Traubenreste aus der Produktion des Amarone gepumpt wird. Der Erfolg konnte sich sehen lassen, denn auf diese Weise produzierte Masi - ohne Zusatzkosten - einen Wein, der aus den Tanninen der Traubenschalen an Komplexität gewinnt.

Heute ist das Verfahren patentiert und so weit verfeinert, dass rund 70 Prozent vergorener Wein über 30 Prozent halbtrockene angepresste Trauben gepumpt wird und erneut gärt. Diese Gärung dauert zwei Wochen und reichert den Wein hinsichtlich Alkohol, Farbe, Extrakte und der weichen, eleganten Gerbstoffe an und vermittelt ihm neue Aromen. In sehr guten Jahren produziert Masi mit dem Brolo di Campofiorin ein Cuvee mit Schwergewicht auf der Corvina-Traube. Nach Ansicht von Italien-Experten wie Burton Anderson eine „neue Kategorie Veroneser Weine“. Sowohl der Brolo als auch der normale Campofiorin passen gut als Begleiter zu Nudelgerichten mit reicher Sauce (Fleisch oder Pilze), gegrillten oder gebratenen roten Fleisch und Wildgerichten.

Amarone

Aus denselben Trauben gewinnt Masi auch den klassischen Amarone. Der Wein wird in Terrassen auf humusreicher roter Erde mit Ostlage angebaut. Schon die römischen Dichter kannten den Wein und besangen ihn begeistert. Es ist kaum zu glauben, dass der monumentale Wein aus den gleichen Reben und aus der gleichen Region stammt, wie die leichten Weine des Valpolicella Classico. Beim Amarone nutzt Masi die alte römische Technik des Appassimento, des Trocknen der Trauben. Nachdem im September/Oktober ausgelesene Trauben geerntet und auf Matten oder auf Bambus-Lattenrosten ausgebreitet werden, lässt man sie 1,5 bis 2 Tage in Räumen mit kontrollierter Temperatur antrocknen, dann wandern sie in große Scheunen in den Hügeln, wo sie gut durchlüftet bis Mitte Januar weiter trocknen. Dann haben die rosinierten Beeren bereits über ein Drittel ihres Gewichts verloren und dadurch Zucker und Extrakt angereichert. Nach einer leichten Pressung gären sie bis in den März in großen Eichenfässern bei niedriger, natürlicher Temperatur. Nachdem der Wein von den Schalen getrennt ist, wird er in große 30 bis 40 hl-Fässer umgepumpt, wo die alkoholische Gärung für 3 bis 4 Monate weitergeht. Danach setzt die Reifung für 20 bis 30 Monate in kleinen Eichenfässern an. Nach der Abfüllung lagert der Wein weitere 6 Monate in der Flasche, bevor er in den Verkauf geht. Das Schwergewicht seines vielschichtigen Aromas liegt in der enormen Fruchtigkeit, die sich langsam in den Reifezustand entwickelt. Meist erkennt man schwarze süße Früchte, wie Kirschen und trockene Pflaumen, Schoko und schwarzen Pfeffer. Neben dem Amarone gibt es mit dem Recioto auch eine süße Variante. Dafür wird der Most nicht ganz vergoren und die Trauben werden etwas länger getrocknet. So erinnert er im Geschmack mehr an Portwein und passt hervorragend zu Gorgonzola. Reticum war seit römischer Zeit der ursprüngliche Name dieses Wein-Typs. Bei Verkostungen gewinnen Amarone-Weine mit ihrem hohen Alkohol von oft über 15 Prozent höchste Anerkennung und sind wegen der guten Haltbarkeit auch bei Weininvestoren gefragt.

Verkostungsnotizen

Bei einer Vekostung seine Weine präsentierte Sandro Boscaini verschiedene Jahrgänge des Campofiorin, verschiedene Amarone und den Passo Doble aus Masis argentinischem Weingut im Tupugnato-Tal bei Mendoza. Dort werden Weine aus Malbec, Merlot in einer Höhe um die 1000 m angebaut und ebenfalls nach dem Ripasso-Verfahren mit angetrocknetem Corvina vinifiziert. Dabei zeigte sich, dass die Weine bei der Verkostung die kühlen Temperaturen durchaus mögen. Im Vergleich der Jahrgänge gewinnen die ausgesprochen fruchtigen Weine mit zunehmendem Alter meist noch an Reife und können oft längere Zeit lagern.

Nilgün Burgucu

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