Weingenuss und Kultur im Burgenland-Kreis
UNESCO Weltkulturerbe Naumburger Dom
(c) Michael Ritter
Naumburg als Quartier
Gerade erst ist der beeindruckende Naumburger Dom mit seinen berühmten Stifterfiguren und den Glasfenstern von Neo Rauch in die Liste des UNESCO Weltkulturerbes aufgenommen worden und lohnt zusammen mit seiner Umgebung, dem reichen romanischen Erbe und der Himmelsscheibe von Nebra einen Besuch. |
Günstiger und trotz der verkehrsreichen Ringstraße ebenfalls angenehm und empfehlenswert ist der renovierte Neubau der Alten Schmiede. Wer mit dem Auto anreist, sollte einen der wenigen Parkplätze dazu buchen, denn die nahen öffentlichen Parkplätze am Ring sind mit gut überwachten Parkuhren ausgerüstet. Ein wenig außerhalb liegt direkt an der Saale und dem sie begleitenden Radweg das Hotel Zur Henne in einem hübschen alten renovierten Industriebau. Fast im Weinberg wohnt man im Hotel zum Rebstock im Ortsteil Roßbach. Auch hier sind es nur wenige Meter zum Saale-Radweg. Mehr zum Thema Kultur. |
Sandra Frölich
(c) Michael Ritter
SANDRA FRÖLICH UND DER BREITENGRAD 51
Zwar bietet der Rebstock keine Küche an, doch wird man im Ort nicht verhungern. Winzerin Sandra Frölich vom Weingut Frölich-Hakebietet mit ihrem Gutsausschank neben den vorzüglichen Weinen auch kleine, weinbegleitende Speisen an. Vor 25 Jahren war die gelernte Journalistin Deutsche Weinkönigin und gründete etwas später mit ihrem Mann das kleine Weingut mit inzwischen 10 Hektar Weinbergen. Die Weine vermarktet sie neben dem beliebten und gemütlichen Gutsausschank ab Hof, über die Gastronomie der Region und den Fachhandel. |
Da an Saale und Unstrut keine spezielle Leitrebsorte im Mittelpunkt steht, können die Winzer experimentieren. Mit der Initiative „Breitengrad 51“ will Sandra Frölich zu einem Vorreiter in Sachen Qualität werden. Mit einheitlichem Qualitätsbewusstsein und permanenten Austausch ist man – wie diverse Jungwinzerverbände im Westen der Republik – stetig dabei sich weiterzuentwickeln. Inzwischen machen acht Weingüter mit, deren gemeinsames Ziel ist es, Wein zu schaffen, der die Spitze der Qualitätspyramide einnimmt und als kraftvoll-trockener Topwein des jeweiligen Sortiments aus typischen Rebsorten der alten Steillagen von Saale und Unstrut gekeltert wird. Das verlangte Minimum von 95° Oechsle dürfte dieses Jahr nicht schwer fallen, wenn der Wein einer strengen Prüfung unterzogen wird. |
Neue Eventlocation Anisium
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DIE WINZERVEREINIGUNG FREYBURG
Nicht jeder Weinbauer geht den Schritt zum eigenen Weingut und zur Selbstvermarktung der eigenen Weine. Die meisten Kollegen von Sandra Frölich haben sich deshalb der Winzervereinigung Freyburg angeschlossen, die gekonnt die trockenen nördlichen Weine mit viel Frische vermarktet. Im Jahr 1934 von damals 27 Weinbauern gegründet, wuchs sie mit den Jahren mit rund 400 Weinbauern zum größten Weinproduzenten der neuen Bundesländer und bebaut heute rund 400 Hektar Rebfläche. Die meisten Weinberge liegen nordwestlich von Freyburg im malerischen Tal der Unstrut und südwestlich entlang von Saale und Ilm bis hinein nach Thüringen. Das Weinsortiment der Winzergenossenschaft ist sehr vielfältig und verfügt über ein deutschlandweit unverwechselbares Signet der Aromen. |
In diesem Jahr ist Siegfried Boy, Weinbaupräsident der Region, Vorstandschef der Winzergenossenschaft und Chef der Agrargenossenschaft Gleina, dem zweitgrößten Traubenproduzenten Deutschlands, vorsichtig optimistisch. Die Hitze der vergangenen Wochen ließ die prallen Trauben schrumpfen. So bekommt der Wein zwar ein hohes Mostgewicht, aber von der Menge rechnet der Fachmann mit rund einem Fünftel Einbuße im Vergleich zum sehr ertragreichen Vorjahr. |
Rotkäppchen Sektkellerei
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FREYBURG UND ROTKÄPPCHEN
Sehr malerisch am Unstrut-Ufer liegt die kleine Stadt Freyburg. Der von der romanischen Neuenburg der Landgrafen von Thüringen beherrsche Ort ist Heimat eines der bemerkenswertesten Betriebe, die es schafften, eine DDR-Marke zu erhalten und auszubauen: Rotkäppchen. Einen nicht unerheblichen Anteil daran hatte Gunter Heise, der 1978 Technischer Leiter des volkseigenen Betriebs wurde. Während viele andere DDR-Betriebe unter der Treuhandanstalt abgewickelt wurden, schaffte es der inzwischen zum geschäftsführenden Gesellschafter aufgestiegene Heise, zusammen mit Harald Eckes-Chantré und einigen leitenden Rotkäppchen-Mitarbeitern, die Firma im Rahmen eines Management-Buy-outs zu privatisieren. Da Rotkäppchen die bekannteste Sektmarke der DDR war, trank man ihn anfangs im Westen nur zögerlich mit Dünkel. Das hat sich inzwischen geändert. Mit 39 Prozent Marktanteil ist Rotkäppchen Marktführer in Deutschland und hat mit diversen Zukäufen sein Angebot ausgeweitet. Auch wenn der Firmensitz inzwischen in Wiesbaden liegt, eine echte DDR-Erfolgsgeschichte. |
Der in Freyburg produzierte Sekt verwendet Trauben aus ganz Europa. Anders könnte man die über 113 Millionen Flaschen nicht produzieren. Doch es gibt auch heimische Trauben im Tal der Unstrut mit ihren terrassierten Weinbergen, die den Kellermeister reizen: fruchtiger Weissburgunder. Jahr für Jahr sucht er dabei Trauben für einen Rotkäppchen Saale-Unstrut-Sekt in klassischer Flaschengärung aus, die durch lange Reifezeit neben der Spritzigkeit mit ausgewogener Säure und harmonischem Bukett punkten. Streng limitiert ist der Premiumsekt nur vor Ort im eigenen Sektshop zu bekommen. Eine echte Rarität! Besonders gern sabriert man ihn Besuchern mit dem Säbel, wobei der geübte Sabreur nur wenig Sekt vergießt. Begründet hat diese Tradition im Jahr 1812 Kaiser Napoleon nachdem er in einer Schlacht des Russlandfeldzuges obsiegte. |
Mühle bei Würchwitz
(c) Michael Ritter
DER ORT MIT DEM WITZ IM NAMEN
Ein wenig fühlte ich mich bei meinem ersten Besuch in Zeitz und Umgebung an Potemkin erinnert, den russischen Feldmarschall, der seiner Zarin Katharina eine Art Kulissen präsentierte, um Missstände zu verbergen. Damals war Würchwitz mein Ziel, wo ich für einen Artikel über den Würchwitzer Milbenkäse, einen Passagier der Slow Food Arche des Geschmacks recherchieren sollte. Gleich am Ortseingang hieß uns eine überdimensionale Milbe aus Carrara-Marmor auf einem drei Meter hohen Sockel willkommen. Die Würchwitzer Milbenkäse Manufaktur & Museum mussten wir suchen, denn das Navi versagte und von der Straße aus war dem Wohnhaus mit Wirtschaftsgebäuden sein Inhalt nicht anzusehen. |
„Das Leben der Käsemilben ist simpel“ sagt er „Sie werden geboren, rennen auf dem Käse hin und her, und eines Tages sind sie tot.“ Bisher kannten wir Milbenkäse nur aus Lille in Frankreich, wo der Mimolette hergestellt wird. Der nach Edamer-Methode hergestellt wird und einen mild-nussigen bis kräftig-würzigen Geschmack entwickelt, da mit fortschreitender Reifung seine mit Kratern übersäte Oberfläche von Milben besiedelt wird, die den Käse bearbeiten. Der Käseteig wird dadurch etwas brüchig und riecht kräftig. In den USA ist der Lieblingskäse von Charles de Gaulle genauso verbannt wie (vermutlich) Pöschels Würchwitzer Milbenkäse. |
Humus beim Vergleich frischer Käse und alter Käse
(c) Michael Ritter
HUMUS UND DER MILBENKÄSE
Pöschel, der allgemein „Humus“ genannt wird, sitzt der Schalk im Nacken. Für die Herstellung seines Milbenkäses kauft er Magerquark, den er ein paar Tage trocknet und dann mit Salz und Kümmel würzt, bevor er ihn zu Stangen formt oder daraus handtellergroße Kugeln rund um eine Holunderblütenrispe formt, deren Stiel herausragt. Bei der „Holunderbirne“ können die Milben über den Stiel in den Käse eindringen und auch von Innen zum Reifung beizutragen. Der ehemalige Bio- und Chemielehrer kennt sich mit den Vorgängen im Käse aus, der dann bis zu ein Jahr lang in einer alten Munitionskiste aus dem letzten Weltkrieg lagert, in der Millionen Käsemilben den Käse zusetzen. |
Das alte, idyllische Bauerndorf mit seiner über 865-jährigen Geschichte wird in der Gegend liebevoll "Würchts" genannt. In der "Altenburger Mundart" erzählt man sich noch immer Geschichten über den Milbenkäse. Dessen Rezeptur und die Milbenzucht werden von Generation zu Generation weitergegeben und wären fast ausgestorben, wenn sie "Humus" nicht gerettet hätte. Damals machte er uns mit Oma Liesbeth bekannt. Die weißhaarige alte Dame in den späten 90ern hatte damals auch einige alte Kisten mit Milbenkäse in ihrem Bauernhaus. |
Grit Triebe
(c) Michael Ritter
Die Weine von der Weißen Elster
Wir hatten uns schon mit der Geschichte über den Käse angefreundet, als uns Humus zum Abschluss mit auf einen Besuch zu einem Nachbarn am Ort nahm. „Wein- und Sekt Gut Hubertus Triebe“ stand da über der Tür hinter der Hofeinfahrt des seit 1795 in Familienbesitz befindlichen Gehöfts. Wie schon erwähnt, hatten wir nach der Abfahrt aus Naumburg keine einzige Rebe mehr gesehen, auch nicht rund um Würchwitz. Zum Glück klärt uns dessen Inhaberin Grit Triebe auf. |
Ein Jahr zuvor hatte sie und ihr Mann Hubertus einen kleinen Artikel gelesen „Noch Rebrechte frei“ lautete die Überschrift und beide bewarben sich erfolgreich darum. Die ersten 3000 Reben setzten sie damals zwischen ausgewinterte Wintergerste. Als diese gut vom Boden aufgenommen wurden, folgten innerhalb eines Tages 17.000 weitere Reben. Der Boden aus verwittertem Buntsandstein mit Lehm und das milde Klima boten gute Voraussetzungen. 2001 konnte schon der erste Jahrgang gelesen werden |
Grit und Hubertus Triebe
(c) Michael Ritter
(c) Connaisseur & Gourmet 2021