Wir lieben Lebensmittel

Bologna - Heimat der Mortadella

Mortadella-Geschäft am Bahnhof

(c) Michael Ritter

Wow – die Mortadella hat den Sprung ins Museum geschafft. Das Museum der Geschichte Bolognas war am 24. Oktober nicht nur der Ort für die Feier zu ihrem Festtag, sondern widmete der seit der Römerzeit bekannten Wurst sogar eine multimediale Ausstellung. Weiß und Rosa – das sind schon seit Jahrhunderten die Farben der norditalienischen Brühwurst. Weiß der Speck und Rosa das fein zerkleinerte und mit Salz, schwarzem Pfeffer, Myrtenbeeren und anderen Gewürzen gemischte Schweinefleisch. Bild (c) M. Ritter

Eröffnung der Mortadella-Ausstellung

(c) Michael Ritter

Wow – die Mortadella hat den Sprung ins Museum geschafft. Das Museum der Geschichte Bolognas war am 24. Oktober nicht nur der Ort für die Feier zu ihrem Festtag, sondern widmete der seit der Römerzeit bekannten Wurst sogar eine multimediale Ausstellung. Weiß und Rosa – das sind schon seit Jahrhunderten die Farben der norditalienischen Brühwurst. Weiß der Speck und Rosa das fein zerkleinerte und mit Salz, schwarzem Pfeffer, Myrtenbeeren und anderen Gewürzen gemischte Schweinefleisch. Aus dem alten Rom stammt auch ihr Name, der vom Lateinischen murtatum oder myrtatum herrührt, was so viel bedeutet wie „in Mörser fein zerkleinertes Fleisch“ oder „mit Myrtenbeeren gewürzt“. Von solcher mit Myrte gewürzter Wurst berichtete schon der Geschichtsschreiber Plinius der Ältere. Ein erstes Rezept für Mortadella lieferte im frühen 17. Jahrhundert der Agronom Vincenzo Tanara, in dem er genaue Details zu den Zutaten lieferte. Es ist im Rahmen der Ausstellung zu sehen und zeigt, dass damals die Mortadella noch einen sehr viel höheren Fettgehalt hatte als heute.

Im Museum findet man auch das Edikt von Kardinal Farnese aus dem Jahr 1661, in dem er die Voraussetzungen für die Produktion der Mortadella ausriefen ließ. Eine der ganz frühen Kodifizierungen für Lebensmittel, an der sich auch in den folgenden Jahrhunderten so wenig daran geändert hat, dass sie fast genauso in die Festlegung der heutigen Gütezeichen DOP und IGP übernommen werden konnte.

Seit 2001 wacht ein eigens gegründetes Konsortium darüber, dass die Mortadella Bologna IGP nur in begrenzten Regionen Nord- und Mittelitaliens hergestellt werden darf und ein hoher qualitativer Grundstandard eingehalten wird.

Mit quietschbunten PR-Aktionen mit recht unbekannten Stars und Sternchen wird dabei versucht, den Verkauf im In- und Ausland in die Höhe zu treiben.

An der Ernährung der Schweine hat sich in den Jahrhunderten -leider - einiges geändert. Einst stromerten die Schweine wild oder gezähmt über Wiesen und durch Eichenwälder, in denen schmackhafte Eicheln als Futter dienten und für festes Fleisch und ein einzigartiges Aroma sorgten. Davon können die meisten Schweine heute nur träumen. Zwar gibt es noch die Freilandhaltung von Rasseschweinen noch, die teilweise in großzügig dimensionierten Eichenwäldern mehrere Jahre in absoluter Freiheit leben können und so bei der Schlachtung eine feine Marmorierung der Muskulatur und einen höheren Anteil an Ölsäure im Fleisch aufweisen, doch meist wird beim Schwein auf Masse statt auf Klasse gesetzt – auch in Italien.

Norditalien gilt als die Schweinehochburg Italiens. Bei berühmten Schinken, wie dem Prosciutto di Parma, di San Daniele oder di Modena setzen die regionalen Produzenten auf Qualität und begrenzen die Herkunft auf Italien oder einzelne Regionen und auch die zugelassenen Rassen. Diese Begrenzung trifft aber nicht auf alle mit dem IGP-Siegel gekennzeichneten Produkte zu, auch nicht auf die Mortadella.

Abendvesper in Bologna

(c) Michael Ritter

MORTADELLA EINST EIN TEURES VERGNÜGEN

Tortellini in Brodo

(c) Michael Ritter

Es wäre sonst schwierig, die Gelüste der Massen im In- und Ausland zu befriedigen. Einst war die feine Mortadella Bologna nur wenigen Edelleuten und reichen Bürgern vorbehalten, die sich eine so kostspielige Wurst auch leisten konnten. Alte Preislisten zeigen, dass der Preis für Mortadella dreieinhalbmal so hoch war wie für Parmaschinken. Damals wurden die Zutaten und der schwierige Herstellungsprozess durch erfahrene Metzger höher bewertet als die lange Reifung des Schinkens. Erst die einsetzende Industrialisierung machte ab dem 19. Jahrhundert den Verzehr der Mortadella demokratischer. Heute muss das Fleisch, das hauptsächlich aus der Schweineschulter stammt, nicht mehr mühsam im Mörser zerkleinert werden, sondern wird durch Platten mit immer feiner werdenden Löchern gedrückt und geschnitten. Die Löcher der letzten Platte haben einen Durchmesser von weniger als einen Millimeter. Noch immer ist das Panino mit Mortadella eine beliebte Brotzeit für Arbeiter.

Inzwischen ist sie bei weitem nicht mehr so fettreich wie einst. Knapp 300 Kalorien haben 100 Gramm Mortadella, keine 40 pro Scheibe.

Die Produzenten loben das einzigartige würzige Aroma ihrer Wurst, die sie glauben sofort erkennen zu können, denn jeder verwendet bei der Herstellung seine eigene Gewürzmischung. Nachdem das fein gemahlene Schweinefleisch mit mindestens 15 Prozent größeren Speckstücken aus dem Hals, mit Salz, Pfefferkörnern und verschiedenen Gewürzen gemischt und in zusammengefügte Schweinedärme gefüllt wird, muss es garen. Das Abfüllen und das Abbinden der großen 15 Kilogramm schweren Würste, die als Mortadella Bologna IGP vermarktet werden, ist trotz aller technischer Neuerungen wie seit Jahrhunderten Handarbeit. Es erfordert viel Erfahrung, denn sonst bekommt die Mortadella nicht ihre typische ovale oder zylinderförmige Form.

Gläserne Manufaktur in FICO Eataly

(c) Michael Ritter

FICO EATALY ZUGUCKEN BEI DER PRODUKTION

Tortellini in Brodo

(c) Michael Ritter

Seit einiger Zeit betreibt das Konsortium im Freizeitpark FICO Eataly am Stadtrand von Bologna eine gläserne Manufaktur, in der Besucher durch die Fenster zusehen können, wie Mortadella Bologna hergestellt wird. Er kann sie dort auch zum Preis von 20 Euro pro Kilo kaufen oder für 5 Euro als Panino an der Mortadella Bar ordern. Bevor die Wurst in den Ofen wandert, wird sie erst einmal kunstvoll geschnürt. Bewohner der südlichen Regionen Italiens bevorzugen die Zugabe von Pistazien, was in der Region Bologna nicht der Tradition entspricht. Bei der Mortadella di Bologna wird auf Güte geachtet und für die Anbringung des Gütesiegels war die Wurstmachergilde zuständig, eine der ältesten Gilden Bolognas, deren Wappen ein Mörser mit Stößel schmückt.

Bei der Mortadella gilt das Motto „je dicker, je besser“. Nachdem sie an Rahmen aufgehängt wurde, wandert sie in einen speziellen Trockenluftofen, in dem die schonende Garung beginnt. Gekocht wird sie nicht, sondern langsam graduell erhöht, muss aber in der Mitte eine Temperatur von 70 °C erreichen. Je dicker sie ist, umso länger dauert das, macht die Wurst aber noch feiner.

Eine 15 kg schwere Mortadella Bologna IGP braucht knapp einen Tag, eine kleine 1-Kilo-Wurst aus der industriellen Fertigung ist in etwa 8 Stunden reif. Zuvor hat der Abfüller den umgebenden Darm mit feinem Nägelchen perforiert. So bekommt die Mortadella Bologna ihr charakteristisches Aroma und die Weichheit. Wird sie zu schnell erhitzt, kann der Speck schmelzen und die Mortadella aus der Form geraten. Wenn alles richtig gelaufen ist, zeigt sich die Mortadella beim Anschneiden im gleichmäßigen leuchtenden Rosarot.

Bei der Herkunft der Schweine sind die Produzenten keiner Reglementierung unterworfen. Oft sieht man hier Schweine aus Deutschland, das nach dem mit weitem Anstand führenden China und den USA die Nummer 3 der weltweit größten Produzenten von Schweinefleisch ist. 90 Prozent aller Schweine stammen aus auf Masse getrimmter Hybridzucht und wachsen teilweise unter Verhältnissen auf, für die die armen Schweine namensgebend sind.

(c) Michael Ritter

Breite Wurstauswahl

(c) Michael Ritter

(c) Connaisseur & Gourmet 2021