Auf Genussreise

Zu Gast bei den Cesarine

Risotto

(c) Cesarine

Cesarina Oriana – Ein privates Abendessen in Bologna

Essen bei Freunden – das ist nichts Ungewöhnliches. Doch mit Fremden in einer privaten Wohnung zu essen – wer macht denn so was? Inzwischen gibt es einige Anbieter, die einem anbieten zusammen mit lauter Unbekannten in einer Privatwohnung ein Mittag- oder Abendessen zu genießen.

Tortellini in Brodo

(c) Michael Ritter

EATWITH ODER CESARINE DIE WAHL FÄLLT LEICHT

Cesarine-Logo

(c) Cesarine

Sicherlich keine schlechte Möglichkeit im Urlaub die Landesküche durch einheimische Hobbyköche kennenzulernen und dabei ein paar Insidertipps zu bekommen, wie man zum Beispiel Tortelloni wickelt und die Füllung anrührt. Aus Israel stammt die inzwischen internationale Gemeinschaft von eatwith.com, die seit einigen Jahren in mehr als 130 Ländern rund 5.000 kulinarische Erfahrungen bei 25.000 Gastgebern anbieten. Rund 10 Jahre älter und – vorerst - auf Italien konzentriert sich die Cesarine, die bei 700 Hobbyköchen Kochkurse, Markttouren, Lunch oder Dinner anbieten. Beiden Anbietern gemein ist, dass man bei Italienern und Italienerinnen in heimischen Küchen leckere Gerichte serviert bekommt und dabei mittendrin ist im Familienleben.

Bologna ist eine der kulinarischen Hauptstädte der Welt. „La città grassa“ – die „fette Stadt“ nennt man sie oder „den Bauch Italiens“. Wer sich zum Essen anmelden möchte, landet bei beiden Anbietern auf einer Website, die der Zimmerbuchung bei Airbnb ähnelt. Erst wählt man Ort und Zeitpunkt aus, dann bekommt man eine Übersicht über das Angebot. Zwar sind die Preise bei eatwith.com etwas günstiger, doch ist das Angebot sehr begrenzt.

Die sehr professionell gestaltete Website cesarine.com ist für mich die Website der Wahl. Ihren Ursprung hat Le Cesarine in Bologna, wo sie 2004 von der Soziologin Egeria Di Nallo als Verein gegründet wurde. Eine amerikanische Freundin, die schon vor Jahren das Angebot in Milano erstmals genutzt hatte, war hellauf begeistert von ihrem Gastgeber und dessen herzlicher Art die unbekannten Gäste mit typischen lombardischen Spezialitäten und Weinen willkommen zu heißen. Sie musste damals als Ausländerin einen niedrigen Mitgliedsbeitrag von 3,50 Euro zahlen und bekam damit Zugang zu zahlreichen Abendessen für nicht einmal 40 Euro.

2014 übernahm der Unternehmer Davide Maggi den einstigen Verein, um ihn zu einem erfolgreichen Start Up auszubauen. Durch das Engagement des Digitalunternehmers dürfte sich der Auftritt der Cesarine deutlich verbessert haben. Wer heute in Bologna bei den Cesarine nach kulinarischen Erfahrungen Ausschau hält, findet ein riesiges Angebot an Kochkursen, Markttouren und Essen zur Mittags- oder Abendzeit. Auch für Vegetarier oder Veganer ist etwas dabei. Allerdings sind mit der Professionalisierung der Website auch die Preise gestiegen. Für ein dreigängiges Menü mit Getränken wie Wasser, Wein, Kaffee und einem Digestiv werden sind Preis ab 65 Euro fällig. Welcher Anteil davon bei den Köchen landet, ist Geschäftsgeheimnis, die Preise entsprechen aber in etwa denen der örtlichen Gastronomie. Wer auf Barrierefreiheit angewiesen ist, sollte dies schon bei der Buchung mitteilen. Einen Menüplan wie bei eatwith.com gibt es bei den Cesarine nicht, ich erfahre nur, dass typische Gerichte nach regionaler Tradition serviert werden.

Bei Buchung kann ich angeben, ob ich an Allergien (auch gegen Haustiere) oder Unverträglichkeiten leide und erhalte dann innerhalb von maximal 3 Tagen den Namen und die Anschrift meiner Gastgeberin Oriana, über die ich mich auf der Liste der örtlichen Gastgeber schon ein wenig informiere. Ein direktes Feedback der Gäste, wie bei eatwith.com gibt es leider nicht, obwohl die Website dies suggeriert, aber das globales Urteil der Teilnehmer fällt durch die Bank ebenso positiv aus, wie die Beurteilungen bei Trustpilot oder TripAdvisor, wo über 90 Prozent der Kritiker die Cesarine als „hervorragend“ oder „ausgezeichnet“ loben. Nach Bestätigung der Buchung erfolgt die Zahlung mit PayPal oder Kreditkarte.

Cesarina Orania

(c) Michael Ritter

ZU GAST BEI ORIANA UND SALVATORE

Gedeckte Tafel bei Oriana

(c) Michael Ritter

Um zur Wohnung meiner Gastgeberin zu gelangen, muss ich etwas klettern, denn Oriana und ihr Mann Salvatore leben im obersten Stockwerk eines der alten Häuser im Zentrum von Bologna. In den Arkaden, die mit einer Länge von 40 Kilometer fast die gesamte Altstadt durchziehen, finde ich den Namen auf einem Messingschild am Ehrfurcht einflößenden Tor. Über die Gegensprechanlage meldete sich Salvatore, der mich hinauf ins Dachgeschoss lotst. Einst kontrollierte ein Concierge die Besucher, heute ist der Schalter in der Eingangshalle verwaist und über die breite Marmortreppe mit dem teils recht wackligen Geländer geht es Stufe für Stufe aufwärts.

Oriana wartet schon an der Tür, als ich pünktlich um 20 Uhr eintreffe. Es sind schon ein paar andere Gäste da, die ebenfalls ihr Abendessen über die Cesarine gebucht haben. Oriana erzählt uns beim Gang auf den Balkon, von dem man auch am Abend noch einen schönen Blick auf die Stadt mit ihren Kirchen und Türmen und auf die Umgebung hat, von der Gruppe italienischer Hobbyköche, die sich unter dem Namen Cesarine zusammengeschlossen haben.

Der Name stamme von Julius Caesar und bedeute „der kleine Caesar“. Von Caesar stammt die Bezeichnung Kaiser und wie ein kleiner Herrscher regiert auch die Caesarina Oriana in ihrer Küche, dem Herz des italienischen Heims. Früher nannte man so in der Romagna mit einem Schmunzeln die Hausfrauen.

Schon seit geraumer Zeit kocht Oriana in ihren eigenen vier Wänden für verschiedene Gäste. Es ist eine internationale Schar. Neben Italienern kommen Deutsche, Amerikaner, Japaner, Holländer, Spanier und etliche andere Nationen in den „Bauch Italiens“, wie man die Hauptstadt der Emilia Romagna gerne nennt. Es ist ein Paradies für Foodies und rund um die zentrale Piazza Maggiore gibt es jede Menge kleiner Läden mit einem schier überbordenden Angebot an Pasta, Schinken, Käse und Fisch.

Mit vier Kindern, die manchmal Freunde mitbrachten, ist Oriana das Kochen für größere Gruppen durchaus vertraut.

Inzwischen sind die Kinder groß, aber die Lust am Kochen und an der Gemeinschaft haben sie und ihr Mann nicht verloren und so bereiten sie uns, wie an vielen anderen Abenden auch, ein delikates mehrgängiges, regionales Menü. Dabei erhalte ich von Oriana zahlreiche Tipps, wie man so köstliche Gerichte wie die delikate Kürbissuppe, Tortellini in Brodo oder saftig mürbes Bollito misto am besten zubereitet.

Die Zubereitung der regionalen Gerichte, wie das typische Nudelgericht sfoglia oder ragù alla Bolognese, musste Oriana erst lernen, denn ursprünglich stamme sie und ihr Mann aus Neapel. Stolz präsentiert sie uns ihre Tortellini in Brodo. Es sei auch das Lieblingsessen ihrer jüngsten Tochter, wie sie uns verrät und sie serviert sie traditionell in einer Fleischbrühe. Kein billiger Spaß, wie sie betont. Bis zu 40 Euro zahle man heute in den Geschäften für ein Kilogramm der leckeren handgemachten Tortellini. Da ist es günstiger sie selber herzustellen. Wir verraten Ihnen gerne das Rezept dafür.

In gemütlicher Atmosphäre zieht sich der Abend beim Gespräch und beim Probieren der verschiedenen Gerichte dahin. Alles ist lecker angerichtet und geschmacklich völlig in Ordnung. Zum Abschluss serviert Oriana einen saftige Torta tenerina, einen Schokoladenkuchen, den wir mit Espresso verspeisen. Waren wir anfangs noch ein Haufen Fremder, so ist unsere kleine internationale Tischgesellschaft während des Essens fast zu einem Freundeskreis geworden. Wir tauschen unsere Kontakte aus und verabschieden uns ganz mediterran mit ein paar Küsschen auf die Wange. Auch Oriana und Salvatore scheinen es (fast) zu bedauern, dass wir schon gehen. Zuvor hat Salvatore noch ein ganzes Arsenal unterschiedlicher Spirituosen aufgefahren. Einige, wie der Nusslikör, stammen aus der Region, andere, wie der eiskalt servierte Limoncello aus Salvatores Heimat in Kampanien. Nach einem letzten gemeinsamen Foto mit unseren Gastgebern machen wir uns auf dem Weg die Treppe herunter und zu unseren Hotels.

(c) Michael Ritter

Blick über Murten und den See

(c) Michael Ritter

MURTEN, DER SEE UND DAS WEINBAUGEBIET VULLY

Murten

(c) Michael Ritter

Auf halber Strecke zum Murtensee ändert sich wieder die Sprache. Wir sind im deutschsprachigen Teil des Kantons. Was sich allerdings nicht ändert, ist die Reaktion bei Fragen nach dem Weg. Auch hier treffen diese zuerst französischsprachige Bewohner des Kantons. „Entschuldigen Sie, ich komme aus Fribourg und kenne mich hier nicht aus“ – selbstverständlich auf Französisch. Aber in Murten mit seinen gut 8.000 Einwohnern kann man praktisch nicht verlorengehen, denn das Stadtzentrum des Zährigerstädtchens ist von einer mittelalterlichen Ringmauer umgeben.

In der Ferne kann man hinter dem am anderen Ufer liegenden Mont Vully in der Ferne im nebeligen Blau die massiven Berge des Jura sehen, nicht aber den von ihm verdeckten Neuenburgersee. Auf dem Murtensee mit knapp 23 Quadratkilometern verkehren neben Segelbooten auch Passagierboote, die den Ort mit anderen Seegemeinden und den anderen beiden Seen der Dreiseenregion verbinden. Verglichen mit dem neunmal größeren Neuenburgersee und dem knapp doppelt so großen Bielersee ist der Murtensee zwar klein, doch die gut erhaltene Altstadt mit ihren Ringmauern und Türmen und die gepflegten Uferanlagen machen ihn zu einer Touristenattraktion.

Einen Aufschwung erlebte der Tourismus in Murten, als die Stadt 2002 mit dem Monolith einer der sogenannten Arteplages (ein Kunstwort aus Art = Kunst und Plage = Strand) der Landesausstellung Expo.02 wurde. Der französische Stararchitekt Jean Nouvel hatte dafür im See einen inzwischen wieder abgebauten riesigen rostigen begehbaren Stahlwürfel errichtet, in dem Besucher unter anderem ein Panorama der für die Eidgenosssen wichtigen Schlacht von Murten zu sehen bekamen.

Die Geschichtsfreunde kommen hier voll auf ihre Kosten, denn mit der Schlacht im Jahr 1476 nahmen die Burgunderkriege zwischen dem mächtigen Karl dem Kühnen von Burgund, der damals auch über Flandern und Holland herrschte und den streitbaren Eidgenossen eine entscheidende Wendung. Nur wenige Monate später wurde das burgundische Heer zerschlagen und der Burgunderherrscher aus dem knapp 200 Kilometer entfernten Dijon fand den Tod. Eigentlich stand Murten damals unter Herrschaft des Hauses Savoyen, das mit Burgund verbündet war. Doch die Eidgenossen aus Bern und Fribourg forderten mit dem Versprechen der Unabhängigkeit der Stadt erfolgreich deren Kapitulation. Eine wichtige Voraussetzung für die folgenden Siege, welche die Kriege beendeten.

Auch nach 542 Jahren gedenkt man alljährlich im Juni der Schlacht mit dem Jugend- und Schulfest Murtner Solennität. Über den Tag verteilt werden 22 Böllerschüsse abgegeben – der erste um 5 Uhr früh! Viele ausgewanderte Murtner kommen dann zurück in die alte Heimat, um zusammenzutreffen. Am Morgen geht ein Umzug durch die kleine Stadt, mittags gibt es ein historisches Schießen außerhalb der Stadt und am Abend feiert die Bevölkerung zusammen mit den Gästen.

Die nur sechs Hektar große malerische mittelalterliche Altstadt mit ihrer typischen rechteckigen Grundrissform ist wundervoll erhalten. Hier sind es drei Längsachsen und eine Quergasse. Aus der Barockzeit stammt die zentrale Hauptgasse mit den charakteristischen Laubengängen. Das ganze Ensemble wird umgeben von einer der besterhaltenen Stadtmauern der Schweiz und beeindruckenden Türmen. Noch heute kann man sie auf dem Wehrgang aus dem 15. Jahrhundert begehen.

Am Rande der Altstadt liegt das in die Stadtbefestigung integrierte Schloss der Savoyer und die alte Stadtmühle, die heute das historische Museum beherbergt. Eindrucksvoll ist das deutsch-reformierte Pfarrhaus, in dem 1797 der Schweizer Schriftsteller Jeremias Gotthelf geboren wurde. Das Rathaus entstand kurz vor der Schlacht durch den Umbau zweier Privathäuser. Die wundervolle Altstadt zieren Bürger- und Patrizierhäuser aus dem 16. bis 18. Jahrhundert, wie der Murtenhof, das sogenannte Grosshaus als bedeutendstes Stadtpalais und das von einer spätgotische Fassade verzierte Haus zum Rübenloch.

In der Bäckerei Aebersold in den Lauben bekommt man seit drei Generationen den Niddelkuchen, eine unspektakuläre Spezialität der Stadt. Der Rahmkuchen wird aus nicht weniger als fünf Lagen Rahm auf leichten Hefeteig geschichtet. Während die ersten drei Schichten während des Backens zugegeben werden und so eine weiche Karamellschicht entsteht, kommen die letzten beiden Schichten Doppelrahm aus Gruyere hinterher darauf und machen den Kuchen zu einer schmelzenden und rahmigen Köstlichkeit. In anderen Orten rund um den See stellt man Salzkuchen her, der noch heute in Variationen nach Familienrezepten in den traditionellen Ofenhäusern gebacken und oft zu einem Glas Vully-Wein gereicht wird.

Aber natürlich sollte man am kleinen Murtensee auch den köstlichen Fisch aus dem See probieren. Neben Wels tummeln sich darin der Flussbarsch Egli, Zander, der auch Renken oder Maräne genannte Felchen und Hecht, die in vielen Restaurants gerne serviert werden.

Ernst Jünger sagte einst „Nichts macht mit der Landschaft vertrauter, als der Genuss der Weine, die auf ihrer Erde gewachsen und von ihrer Sonne durchleuchtet sind.“ Reichlich pathetisch, aber wahr. Wir sind im traditionellen Hotel Schiff mit seiner zauberhaften Seeterrasse eingekehrt und genießen gebackene Egli Filets mit Tartarsauße und Salzkartoffeln, zu denen hervorragend ein Glas offen ausgeschenkter Vully Chasselas vom Château de Praz am anderen Seeufer passt.

Direkt vor dem Hotel ist der Schiffsanleger für die modernen großen Boote, die bis zu 500 Personen befördern können. Innerhalb einer Viertelstunde haben wir die drei Kilometer überwunden. Praz am Fuße des Mont Vully ist von Reben umgeben und postkartenreif. Ein paar professionelle Fischer, wie Yves Lauper, der schon seit seiner frühsten Kindheit im See fischt, fahren hier zum Fang mit Fischerruten und Angelhaken hinaus, um die Egli, die wir kurz zuvor gegessen haben, zu fangen und die Restaurants am Seeufer zu versorgen. Yves schätzt die Möglichkeit frischen Fisch fangen und essen zu können. „Das Fleisch ist so zart, dass man es mit der Gabel zertrennen kann. Sind die Fische kleiner, können sie frittiert werden, das ist zum Aperitif herrlich“, freut er sich.

Rund 150 Hektar Reben prägen die Landschaft am südlichen Berghang des Mont-Vully, während auf der Nordseite zum Neuenburgersee Gemüse und Ackerbau dominieren. Drei der 125 besten Winzer der Schweiz bauen dort ihren Wein an und mit den international ausgebildeten Brüder Fabrice und Stéphane Simonet macht in Motiers das „Petit Château“ als neues Talent auf das Potenzial der Weinregion Vully aufmerksam. „Diese Auszeichnung motiviert und macht Mut für den weiteren Weg“, freuten sich die jungen Winzer.

Marylène Bovard-Chervet vom Chateau de Praz

(c) Michael Ritter

EIN BESUCH IM CHÂTEAU DE PRAZ

Vully und der Murtensee

(c) violetta CC0 via Pixabay

Wer Zeit mitbringt, sollte die knapp 200 Höhenmeter durch die Weinberge auf den Mont Vully hinaufmarschieren, um den weiten Blick über den Murtensee, auf Murten, das Mittelland, die Voralpen und die am Horizont majestätisch emporragenden Alpen zu genießen, während in Richtung Norden hinter dem Neuenburger- und Bielersee die Jurakette aufragt. Vogelfreunde finden an der Mündung des Broyekanals ein Naturschutzgebiet mit reicher Vogelwelt. Der lehrreiche Themenpfad durch die Rebberge führt von Freiburg hinüber ins Waadtland und erzählt viel über die Entstehung von Wein.

Wir kehren aber gleich beim Anleger von Praz im Château de Praz ein, wo uns schon Marylène Bovard-Chervet erwartet, um uns ihre Weine vorzustellen. Den Weinbau hatte Marylène schon in Kindeszeiten kennengelernt, bevor sie nach Erfahrungen im Ausland 2011 den elterlichen Betrieb übernahm, in dem die dreifache Mutter heute als Önologin für die Weinbereitung zuständig ist. Immer mit einem guten Auge für Qualität baut sie den Wein gerne reinsortig aus, damit man die unterschiedlichen Jahrgänge schmecken kann. Auch ihr Ehemann Louis, den sie während des gemeinsamen Weinbaustudiums kennengelernt hat und mit dem sie in fünfter Generation das 12 Hektar große Weingut führt, stammt aus einer Winzerfamilie vom Genfer See. Praktika führten ihn durch die Schweiz, Deutschland und Neuseeland. Der begeisterte Bergfreund Louis arbeitet im Weinberg und führt das Geschäft.

Chasselas hat als Hauptrebsorte des Weinguts Tradition im Vully und wird auf rund 45% der Rebfläche angebaut. Marylène macht daraus einen sehr finessenreichen frischen Wein mit schöner Apfel- und Mirabellennote. Chasselas ist auch die Basis für die schöne geschmeidige Réserve Blanche. Diese Selektion aus zwei der ältesten und besten Parzellen, deren Boden einen höheren Tongehalt haben. Außerdem liegt sie bis zur Abfüllung auf der Hefe. Schon bei unseren früheren Recherchen über die Rebsorte im badischen Markgräflerland, wo Chasselas den Namen Gutedel trägt und bei Besuchen im Wallis, wo er unter dem Namen Fendant verkauft wird, hatten uns Vertikalverkostungen gezeigt, wie gut sich die Rebsorte bei sorgfältiger Selektion und Sorgfalt beim Ausbau im Laufe der Jahre entwickeln kann. Regelmäßig beweisen auch beim Memoire des Vins Suisse die eingelagerten zehn Jahre alten Schweizer Chasselas aus der Schatzkammer der Schweizer Weine, wie gut dieser normalerweise schnell getrunkene Wein auch reifen kann.

Auch Marylène hat dieses Fingerspitzengefühl aus selektierten Chasselas erstklassigen Wein herzustellen. Generell braucht der auf der Hefe ausgebaute Wein mehr Zeit, um sein Potenzial voll präsentieren zu können. Die meisten der alten Rebstöcke des Weinguts tragen Grauburgunder, aus dem hier ein intensiv fruchtiger Wein hergestellt wird, der hervorragend zum Essen passt, wie wir schon bei Frédérik Kontratowicz feststellen konnten. Mit einem Lächeln stellt uns Marylène auf der Terrasse des kleinen Gartenhäuschens am See auch ihren Freiburger vor. „Der stammt nicht von unserem Freiburg“, erklärt sie, doch aus einer der anderen Zähringer-Regionen, dem Breisgau, wo der auch Freisamer genannte Wein aus einer Kreuzung von Grauburgunder und Silvaner entstand. Für Marylène ist die Rebsorte eine beliebte und seit 60 Jahren angebaute Spezialität ihres Weinguts, wenngleich andere Winzer in Vully und der deutschsprachigen Schweiz dem nicht folgen. Was uns hingegen schon früher aus Vully aufgefallen war, ist der Traminer. Auch die Parzellen des Traminers zählen zu den frühen Pflanzungen der Familie Chervet, die die Reben aus dem Elsass mitbrachten. Dabei verwendet man bewusst nicht den ursprünglichen Begriff Gewürztraminer, um Weinfreunden sprachlich entgegenzukommen. Ein ausgezeichneter, sehr schön duftiger Wein, der gerne auch noch etwas lagern kann.

Die Rotweine machen einen kleineren Teil des Anbaus aus. Im Jahr 2008 entschied Marylène Bovard-Chervet einen Teil des Gamarets für ein Jahr in kleinen Barriques auszubauen, die seit einigen Jahren aus Schweizer Eiche der Region gewonnen wird – die neue Réserve rouge. Die Rebsorte ist eine Kreuzung von Gamay und Reichensteiner. Nach der Verkostung der Weine geht es wieder aufs Schiff, das uns jetzt in einer einstündigen Runde über die Weinorte Môtier und das bereits zum Waadtland gehörende Vallamand zurück nach Murten bringt. Wanderer können einen Teil der Strecke auch bei einer Wanderung durch die Weinberge zu Fuß bewältigen.

Zurück in Fribourg nutzen wir den Abend für einen Besuch der malerischen Ville-Basse entlang der dort mäandrierenden Saane. Dort bietet das gemütliche Romantik Hotel Au Sauvage und das benachbarte Restaurant de la Clef eine ordentliche Küche mit Produkten der Region.

Gerard Biland beim Käsemachen

(c) Michael Ritter

AUSFLUG IN DIE WELT DES KÄSE

Gerard Biland und sein Käse

(c) Michael Ritter

Am nächsten Morgen fahren wir in den südlichsten Teil des Kantons, um den Käse kennenzulernen. Schon nach wenigen Kilometern erreichen wir mit dem nach dem letzten Weltkrieg angelegten Stausee Lac de la Gruyére, der die Saane in dem malerischen Voralpenpanorama anstaut, im gleichnamigen für seinen Käse berühmten District de la Gruyére. Auf Deutsch geht der Name Greyerz vermutlich nur Einheimischen problemlos über die Lippen, weshalb der Käse auch im deutschsprachigen Raum einfachheitshalber nicht Greyerzer oder Le Gruyére, sondern schlicht Gruyére genannt wird. Formal ist es etwas verzwickter: da nennt sich die Region La Gruyére, der Käse Le Gruyére und der Ort Gruyéres.

Der halbharte bis harte Hartkäse aus Rohmilch von Kühen zählt zu den gefragtesten Käse der Eidgenossenschaft. Knapp 30.000 Tonnen verkaufte man 2016, rund die Hälfte davon in der Schweiz. Man bekommt ihn deshalb anders als den Wein, von dem gerade einmal 1 bis 2 Prozent exportiert werden, auch im Ausland und Deutschland ist mit gut 20 Prozent des Exports der wichtigste Auslandsmarkt. Es ist ein AOP-Käse, den - meist in der Region - gut 200 Käsereien und Alpbetrieben herstellen dürfen.

Seine Geschichte in der Region reicht zurück bis ins Jahr 1115, als Käse als Teil Zuwendungen an eine Abtei erwähnt wird. Der heutige Gruyère lässt sich Anfang des 17. Jh. erstmals belegen, als mehrer Laibe davon den Franzosen als Geschenk angeboten wurden.

Wir besuchen keinen der großen Betriebe, sondern haben uns bei Gérard Biland angemeldet. Dessen kleine Käserei und Alphütte Invuettes liegen oberhalb der alten heute zu Nestle gehörenden Schokoladenfabrik Maison Callier im Nationalpark Gruyère Pays-d’Enhaut auf dem Weg zum Jaunpass, der die Region mit dem Berner Simmental verbindet. Seit 1993 stellt die Familie dort Käse her und vermarktet ihn seit 2010 in der kleinen Sausenstation. Zum Glück ist der Käsemacher zweisprachig.

Wir begleiten Gérard in seine kleine Käserei neben dem Buvette, wo ihn ein junges rumänisches Ehepaar bei der anstrengenden und im Sommer schweißtreibenden Käsebereitung unterstützt. Jeden Morgen fabrizieren sie dort den AOP zertifizierten Gruyère d’Alpage und Freiburger Vacherin. Gérard lässt sich dabei gerne über die Schultern schauen und wer mag, kann auch selbst anpacken.

Zuerst einmal muss das Lab wirken. Dicklegen nennt man das und Dickete das Ergebnis, dann wird die Dickete mit der mit Drähten bespannten Käseharfe klein geschnitten und mit Tüchern in die jeweilige Form gebracht. Dabei sorgen Gewichte dafür, dass die überschüssige Molke herausgepresst wird. Salzlake entzieht dem jungen Käse weiteres Wasser und anschließend wandert der zum Käselaib geformte Käse in die Reifekammer, wo er – je nach Typ – lagert und reift.

Bei der Herstellung gibt es immer wieder Momente, wo die Käsemasse ruhen muss. Derweil kochte seine Frau Anne nebenan typische Gerichte der Region. Sie ist eine der Gewinnerinnen der TV-Kochsendung «Un repas à la ferme» und so stolz wie sie auf ihre Küche ist, ist Gérard auf seinen Käse und seine Schweine, die er hinter der Alphütte hält. Von Callier holt er sich regelmäßig Schokoladenbruch und als ihn seine Schweine mit dem Schokoladeneimer sehen, sind sie außer Rand und Band. Jedes noch so kleine Stückchen wird mit Begeisterung gefressen. Auch Gérard ist glücklich, wenn es den Tieren schmeckt und sie zufrieden sind, denn das merkt man später auch beim Fleisch.

Die Geheimnisse und die Freude rund um den selbst gemachten Käse teilen die Bilands gerne mit ihren Gästen. Den Gruyère d'Alpage AOP darf Gérard nur im Sommer von Mitte Mai bis Mitte Oktober herstellen. Dabei werden die Kühe auf die Alpen getrieben und ernähren sich dort von üppigem und vielfältigem Weidegras. Das ergibt dann eine besonders aromatische Milch, deren Aromen man auch im Käseteig schmeckt. Während der klassische Gruyere meist etwas größer und dicker ist und um die 35 Kilogramm wiegt, bringen die ausschließlich durch Tücher gepressten Laibe des Alpage nur rund 25 kg auf die Waage. Im Herbst treiben die Älpler ihre Kühe wieder ins Tal und der „Alpabzug“ ist ein Fest für Einheimische und Gäste. Der kleiner Vacherin fribourgeois hat ein Gewicht von 5 bis 9 Kilogramm und reift rund vier Monate. Der zart schmelzende Käse wir gerne für Käsefondue verwendet, dass seine Frau schon zubereitet hat. Ach Gruyere ist darin, Kirschwasser und Weißwein. Mit einem gewürfelten Baguette aus dem Topf – einfach köstlich.

Alphornbläser in Gruyeres

(c) Michael Ritter

DOPPELRAHM AUS GRUYERES

Doppelrahm aus Gruyeres

(c) Michael Ritter

Ein anderes seiner Produkte ist die Crème double, der Doppelrahm, der hier in Gruyere einen Fettgehalt von 50 % hat und sich zu einem Flaggschiff der Produkte der Region entwickelt hat. Früher wurde sie nur auf den Alphütten von der frischen Milch abgeschöpft, heute wird der Doppelrahm in der Zentrifuge von der Magermilch getrennt und dann pasteurisiert, wobei sie für eine knappe halbe Minute auf 75 ° C erhitzt wird. So bleiben die Fettkristalle erhalten, die dem Doppelrahm von Gruyere seine dicke und cremige Konsistenz verleihen. Gérard bringt sie in dem typischen Holzkübelchen mit den fein geschnitzten Löffeln auf den Tisch. Dazu serviert er Meringues, die mit dem Doppelrahm köstlich schmecken. Eine wundervolles Dessert, zu dem auch frische Beeren gut schmecken.

Nach dem lehrsamen Vormittag mit dem abschließenden Fondue geht es zurück zum Stausee und weiter zum namensgebenden Ort Gruyere, wo an diesem Wochenende das Doppelrahm-Festival stattfindet. Schon auf der Fahrt hinauf zu dem historischen Dörfchen sieht man, dass viele Gäste gekommen sind. Gerard hat uns gesagt, dass man diesem Leckerbissen am besten vor Ort isst, da es rasch konsumiert werden muss. Wird die Kühlkette nicht eingehalten, ist er schnell ungenießbar.

Kein Problem in Gruyeres. Man kauft sich einen Festivalpass für 20 SFr und kann dann zehn kleine Spezialitäten vom Champignon-Pfännchen über die Hüttensuppe, Kuchen aus Vin-Cuit bis hin zu Pralinen und Sahnetorte auf einem Verkostungparcours degustieren.

Ein anderes seiner Produkte ist die Crème double, der Doppelrahm, der hier in Gruyere einen Fettgehalt von 50 % hat und sich zu einem Flaggschiff der Produkte der Region entwickelt hat. Früher wurde sie nur auf den Alphütten von der frischen Milch abgeschöpft, heute wird der Doppelrahm in der Zentrifuge von der Magermilch getrennt und dann pasteurisiert, wobei sie für eine knappe halbe Minute auf 75 ° C erhitzt wird. So bleiben die Fettkristalle erhalten, die dem Doppelrahm von Gruyere seine dicke und cremige Konsistenz verleihen. Gérard bringt sie in dem typischen Holzkübelchen mit den fein geschnitzten Löffeln auf den Tisch. Dazu serviert er Meringues, die mit dem Doppelrahm köstlich schmecken. Eine wundervolles Dessert, zu dem auch frische Beeren gut schmecken.

Nach dem lehrsamen Vormittag mit dem abschließenden Fondue geht es zurück zum Stausee und weiter zum namensgebenden Ort Gruyere, wo an diesem Wochenende das Doppelrahm-Festival stattfindet. Schon auf der Fahrt hinauf zu dem historischen Dörfchen sieht man, dass viele Gäste gekommen sind. Gerard hat uns gesagt, dass man diesem Leckerbissen am besten vor Ort isst, da es rasch konsumiert werden muss. Wird die Kühlkette nicht eingehalten, ist er schnell ungenießbar.

Kein Problem in Gruyeres. Man kauft sich einen Festivalpass für 20 SFr und kann dann zehn kleine Spezialitäten vom Champignon-Pfännchen über die Hüttensuppe, Kuchen aus Vin-Cuit bis hin zu Pralinen und Sahnetorte auf einem Verkostungparcours degustieren.

Im Käselager

(c) Michael Ritter

(c) Connaisseur & Gourmet 2021