Käse und Wein - Genuss mit Witz
Der Ort mit dem Witz im Namen
Ein wenig fühlte ich mich bei meinem ersten Besuch in Zeitz im Dreieck von Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen an Potemkin erinnert, den russischen Feldmarschall, der seiner Zarin Katharina eine Art Kulissen präsentierte, um Missstände zu verbergen. Damals war Würchwitz mein Ziel, wo ich für einen Artikel über den Würchwitzer Milbenkäse, einen Passagier der Slow Food Arche des Geschmacks recherchieren sollte. Gleich am Ortseingang hieß uns eine überdimensionale Milbe aus Carrara-Marmor auf einem drei Meter hohen Sockel willkommen. Die Würchwitzer Milbenkäse Manufaktur & Museum mussten wir suchen, denn das Navi versagte und von der Straße aus war dem Wohnhaus mit Wirtschaftsgebäuden sein Inhalt nicht anzusehen. |
Der Geschmack erinnert an einen je nach Alter an Harzer Käse mit leicht bitterem Nachgeschmack während der Käse etwas nach Salmiak riecht. Essen kann man ihn problemlos, denn Proben wurden erstmals schon 1996 im Lebensmittellabor des Biologisch Chemischen Instituts Hoppegarten am Stadtrand von Berlin von einem amtlich zugelassenen Sachverständigen untersucht und für gut befunden. Auch jetzt kontrolliert sowohl ihn das Lebensmittelamt wie Pöschel regelmäßig. |
Weinberge an der Weißen Elster
Ihr rund 12 Hektar großer “Salsitzer Englischer Garten” liegt ein paar Kilometer entfernt im schönen Tal der Weißen Elster bei Zeitz, unweit der riesigen Südzucker Fabrik, die wir auf der Fahrt passiert hatten. Grit Triebe weiß, was sie will. Gegen alle Widerstände hat sie zusammen mit ihrem Mann und ihrer Familie den ursprünglich der Viehhaltung und dem Ackerbau gewidmeten Hof der Familie in ein Weingut verwandelt. „Von der Milchflasche zur Weinflasche“ erzählt sie lächelnd und zeigt uns ein Wandgemälde, das diese Wandlung verdeutlicht. Einfach war das sicherlich nicht. Als uns Sanda Frölich erzählt hatte, dass viele Quereinsteiger an Saale und Unstrut die Gunst der Stunde genutzt haben und auf den Wein umgesattelt hatten, konnten wir das nachvollziehen. Aber an der Weißen Elster? Dort hatte es seit dem Mittelalter keinen nennenswerten Weinbau mehr gegeben. Die weitere Trauben-Insel entstand erst in den letzten Jahren wieder mit dem Dörfchen Salsitz bei Zeitz als Zentrum. Dort liegt auch Triebes Weinberg. |
Das Angebot an den meist sortenrein ausgebauten süffig-eleganten Weinen kann sich sehen lassen. Großartig der in Barrique ausgebaute feinherbe Weißburgunder und der Winzersekt. Vor allem die wunderschöne Vinothek und Weinstube, die vom Deutschen Weininstitut auf die Liste der Top 50 Vinotheken Deutschlands aufgenommen wurden – gegen starke Konkurrenz in den bekannten Weinbauregionen im Westen, haben uns überzeugt. Hier kann man Wein machen. Grits Tochter Annemaria amtiert derzeit als Zeitzer Weinprinzessin und studiert Weinbau und Önologie in Veithöchsheim. |
Sandra Frölich und der Breitengrad 51
Mehr nach Weinbau sieht es an den Ufern von Saale und Unstrut aus. Dort liegt in einem Ortsteil von Naumburg das Weingut Frölich-Hake von Winzerin Sandra Frölich, die mit ihrem Gutsausschank neben den vorzüglichen Weinen auch kleine, weinbegleitende Speisen anbietet. Vor 25 Jahren war die gelernte Journalistin Deutsche Weinkönigin und gründete etwas später mit ihrem Mann das kleine Weingut mit inzwischen 10 Hektar Weinbergen. Die Weine vermarktet sie neben dem beliebten und gemütlichen Gutsausschank ab Hof, über die Gastronomie der Region und den Fachhandel. |
Da an Saale und Unstrut keine spezielle Leitrebsorte im Mittelpunkt steht, können die Winzer experimentieren. Mit der Initiative „Breitengrad 51“ will Sandra Frölich zu einem Vorreiter in Sachen Qualität werden. Mit einheitlichem Qualitätsbewusstsein und permanenten Austausch ist man – wie diverse Jungwinzerverbände im Westen der Republik – stetig dabei sich weiterzuentwickeln. Inzwischen machen acht Weingüter mit, deren gemeinsames Ziel ist es, Wein zu schaffen, der die Spitze der Qualitätspyramide einnimmt und als kraftvoll-trockener Topwein des jeweiligen Sortiments aus typischen Rebsorten der alten Steillagen von Saale und Unstrut gekeltert wird. Das verlangte Minimum von 95° Oechsle dürfte dieses Jahr nicht schwer fallen, wenn der Wein einer strengen Prüfung unterzogen wird. |
Freyburg und Rotkäppchen
Sehr malerisch am Unstrut-Ufer liegt die kleine Stadt Freyburg. Der von der romanischen Neuenburg der Landgrafen von Thüringen beherrsche Ort ist Heimat eines der bemerkenswertesten Betriebe, die es schafften, eine DDR-Marke zu erhalten und auszubauen: Rotkäppchen. Einen nicht unerheblichen Anteil daran hatte Gunter Heise, der 1978 Technischer Leiter des volkseigenen Betriebs wurde. Während viele andere DDR-Betriebe unter der Treuhandanstalt abgewickelt wurden, schaffte es der inzwischen zum geschäftsführenden Gesellschafter aufgestiegene Heise, zusammen mit Harald Eckes-Chantré und einigen leitenden Rotkäppchen-Mitarbeitern, die Firma im Rahmen eines Management-Buy-outs zu privatisieren. Da Rotkäppchen die bekannteste Sektmarke der DDR war, trank man ihn anfangs im Westen nur zögerlich mit Dünkel. Das hat sich inzwischen geändert. Mit 39 Prozent Marktanteil ist Rotkäppchen Marktführer in Deutschland und hat mit diversen Zukäufen sein Angebot ausgeweitet. Auch wenn der Firmensitz inzwischen in Wiesbaden liegt, eine echte DDR-Erfolgsgeschichte. |
Der in Freyburg produzierte Sekt verwendet Trauben aus ganz Europa. Anders könnte man die über 113 Millionen Flaschen nicht produzieren. Doch es gibt auch heimische Trauben im Tal der Unstrut mit ihren terrassierten Weinbergen, die den Kellermeister reizen: fruchtiger Weissburgunder. Jahr für Jahr sucht er dabei Trauben für einen Rotkäppchen Saale-Unstrut-Sekt in klassischer Flaschengärung aus, die durch lange Reifezeit neben der Spritzigkeit mit ausgewogener Säure und harmonischem Bukett punkten. Streng limitiert ist der Premiumsekt nur vor Ort im eigenen Sektshop zu bekommen. Eine echte Rarität! Besonders gern sabriert man ihn Besuchern mit dem Säbel, wobei der geübte Sabreur nur wenig Sekt vergießt. Begründet hat diese Tradition im Jahr 1812 Kaiser Napoleon nachdem er in einer Schlacht des Russlandfeldzuges obsiegte. |
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