Blütenpracht rund um den Bodensee
Hafen Lindau
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FRÜHLINGSERWACHEN RUND UM DEN BODENSEE
Er ist nicht nur der größte See Deutschlands, sondernd auch der tiefste und bei weitem wasserreichste See unseres Landes: der Bodensee. Doch er gehört uns nicht allein, wie eine junge Kollegin von ihrem Chefredakteur lernen musste, der sie bei ihrem ersten Artikel, in dem sie ihn „Schwäbisches Meer“ nannte, an die Landkarte zitierte und sie fragte: „Wo liegt Ihrer Meinung nach Schwaben?“. Der Punkt ging an ihn und künftig mied sie die in Deutschland nach wie vor beliebte Bezeichnung in Artikeln über den malerischen See.
Eigentlich sind es ja „zwei Seen und ein sie verbindender Flussabschnitt des Rheins“ (so steht es in Wikipedia), die den Bodensee ausmachen - der Überlinger See, der Untersee und der sie verbindende Obersee, der mit einer Länge von 63 km und einer Breiten von bis zu 14 km dominiert und von den meisten eher als der eigentliche Bodensee angesehen wird - und nicht als „Flussabschnitt“. Redet man von der „Bodenseeregion“ reicht diese oft weit ins Hinterland und neben den direkten Anrainern Deutschland, Österreich und der Schweiz, rechnet sich auch das Fürstentum Liechtenstein dazu.
Claudius und Janine Haug
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BIOWINZER AUF DEUTSCHLAND SÜDLICHSTEM WEINBERG
Die Region hat einiges an Highlights zu bieten, wie wir schon am Abend der Anreise vom Biowinzer Claudius Haug erfahren. Deutschland höchsten Weinberg besitzt er zwar nicht, da hat ein anderer Biowinzer aus Baden-Württemberg die Nase vorn, doch nahe am Bodensee liegt der südlichste Weinberg Deutschlands. Bis auf 500 Meter Höhe klettern seine Reben hinauf, malerisch durchbrochen von Apfelplantagen und dem Wanderer bieten sich dort weite Blicke über den Bodensee auf die schneebedeckten Gipfel der Schweizer und Österreicher Berge. |
Eine Spezialität des Haugschen Rädle ist sein vinature orange, ein Weißwein, der wie ein Rotwein ausgebaut wird. Dazu lässt man die Trauben auf der Schale gären lässt. Der Souvignier Gris ist trüb und orange-gold. Im Glas entfaltet der orange Wein ein durchaus individuelles Aroma und duftet nach reifen Mirabellen, Rhabarber und Mandarine mit einer deutlich erdigen Note. Wenn Ihnen die Rebsorte nichts sagt, geht es Ihnen wie vielen anderen Weinfreunden, die sich noch nicht mit den pilzwiderstandsfähigen Züchtungen (kurz PiWi) auseinandergesetzt haben. Hierbei handelt es sich um eine Kreuzung aus dem bekannten Cabernet Sauvignon und Bronner, einer anderen vom St. Laurent abstammenden Piwi-Sorte. Sie steht meist für kräftig-stoffige Weine. Wer mag kann im Freundeskreis ein Käsefondue „selber kochen“. Manchmal gibt es abends dazu noch Livemusik. |
Auf dem Bodensee
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BOTANISCHER RUNDGANG DURCH LINDAU
Das malerische auf einer Insel gelegene Lindau war bis 1803 freie Reichsstadt. Zauberhaft der Gang durch die unter Denkmalschutz stehende Altstadt mit ihrem prächtigen gotischen Rathaus, das später im Stil der Renaissance umgebaut wurde. Heute lebt nur knapp jeder zehnte der Lindauer in diesem historischen Zentrum, das besonders im Sommer bei den Touristen sehr beliebt ist und mit bis zu jährlich 800.000 Übernachtungen eine sprudelnde Einnahmequelle ist. Alle Jahre wieder tagen die Nobelpreisträger in Lindau, für die man kürzlich die Inselhalle umgebaut und mit dem zertifizierten Biorestaurant Deck 12 ausgestattet hat. |
Eigentlich hatten wir einen Rundgang durch den städtischen Lindenhofpark geplant, doch der Regen macht uns einen Strich durch die Rechnung. Doch zum Glück hat Lindau mehr zu bieten – zum Beispiel im Kunstmuseum am Inselbahnhof, wo noch bis zum 29. September 2019 eine Ausstellung über das Welt von Friedensreich Hundertwasser informiert. Unter dem Titel „Traumfänger einer schöneren Welt“ zeigt die Sonderausstellung des Kulturamts und der gemeinnützigen Hundertwasser Privatstiftung Wien originale Gemälde, Grafiken, Architekturentwürfe und einen kostbaren Knüpfteppich des vor 19 Jahren auf einer Schiffspassage verstorbenen Künstlers. Der international bekannte Zukunftsvisionär, Utopist und Aktivist war ein kontrovers diskutierter Künstler, dessen intensiv leuchtenden und farbenfrohen Werke durch seinen allumfassenden Friedensgedanken und den Anspruch entstanden, mit seiner Kunst die Welt zu verschönern und zu verbessern. |
Villen in Bad Schachen
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ALTE PRACHT BAD SCHACHEN
Wir sind gleich neben dem Lindenhofpark im einige Kilometer westlich gelegenen Stadtteil Bad Schachen untergekommen. Majestätisch prunkt dort am Seeufer das prachtvolle alte Jugendstil-Grandhotel Bad Schachen. Einst an einer Eisen-Schwefelquelle errichtet ist es seit über einem Vierteljahrtausend in Familienbesitz und macht vom Service, der gepflegten Ausstattung, dem schönen Wellnessbereich mit Hallenbad und großzügiger Saunalandschaft einen erstklassigen Eindruck. Bei den Preisen der Zimmer und Gastronomie spürt man die Nähe zur Schweiz. Winzige Einzelzimmer kosten pro Nacht mit reichhaltigen Frühstücksbuffet ab 132 Euro, wer auf den See und die Schweizer Berge blicken will, muss mindestens 37 Euro mehr berappen. Ein Doppelzimmer mit Balkon zum See kostet pro Person und Nacht ab 136 Euro. Bei Parkplatzgebühren zwischen 9 und 15 Euro pro Tag wählen einige Gäste offenbar die kostenfreien Parkmöglichkeiten entlang der Zufahrt zum Hotel. |
Zauberhaft das zum Hotel gehörende Parkstrandbad Bad Schachen, ein Kleinod der Jugendstil-Epoche, das 1924 der Theaterarchitekt Max Littmann errichtete, der nicht nur den Theaterbau in Deutschland reformierte, sondern auch das Münchner Hofbräuhaus errichtete. Zu diesem Höhepunkt der hölzernen Badearchitektur am Bodensee haben Hotelgäste kostenfreien Zugang. |
Bregenzer Seebühne
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KULTURSTADT BREGENZ
Wer mag, kann den Bodensee bequem an Deck eines der 31 Linienschiffe erkunden, die von März bis Oktober die Anlagestellen anlaufen. Wir nehmen von Lindau die direkte Verbindung nach Bregenz, die uns in knapp einer Stunde in den benachbarten österreichischen Vorarlberg bringt. Durch die links vom bayrischen Löwen und rechts von Deutschlands südlichsten Leuchtturm bewachte Hafeneinfahrt geht es hinaus auf den See. Die Fahrt entlang des Bregenzer Ufers bietet interessante Einblicke auf die Seebühne der Bregenzer Festspiele, wo 2019/20 Verdis Oper Rigoletto auf dem Spielplan steht. |
Ein ziemlich komplexes Konzept, bei dem 820 Lautsprecher rund um den offenen Zuschauerraum richtig an- und ausgesteuert werden müssen, wie mir Fritz vor Jahren bei einem gemeinsamen Besuch in Sevilla verriet, wo er seine akustischen Erfahrungen aus Bregenz für Carmen und Fidelio an Originalschauplätzen einbringen sollte. Wenn das Wetter nicht mitspielt findet die Oper im benachbarten Festspielhaus statt, das auch für die anderen Veranstaltungen des Festivals genutzt wird. |
Blick vom Karren
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DORNBIRN UND DER KARREN
Besonders während der Festspiele bietet das kleine Bregenz mit seinen knapp 30.000 Einwohnern oft zu wenige Betten für Besucher, die deshalb ins nahe Dornbirn ausweichen. Dort lockt mit der Rappenlochschlucht eine der größten Schluchten Mitteleuropas, die auf spektakulären Wegen erkunden kann. Einst konnte man am Eingang der Schlucht das große Rolls-Royce Museum mit gut 100 Originalfahrzeugen besuchen, das inzwischen nach dem Tod seines Gründers und der Aufteilung auf dessen Söhne auf zwei Museen aufteilt wurde. |
Ornithologen können im Vorarlberger Rheindelta zwischen dem Alten Rhein und der kanalisierten Dornbirner Ach im Auwald mit Streuwiesen, Röhricht, Schlickflächen und Flachwasserzonen mit Fernglas und Kamera auf die Vogeljagd begeben. Seit 1982 ist es als „Feuchtgebiet internationaler Bedeutung“ und „Important Bird Area“ ein wichtiger Rastplatz für heimische und durchreisende Vögel. Läuft man im Frühjahr den Dammweg entlang, sieht man dort Teichrohrsänger und Rohrammern, aber auf den Riedwiesen auch die dort rastenden Steinschmätzer sowie Braun- und Schwarzkehlchen. Seeschwalben suchen in der nahen Fußacher Bucht nach Nahrung. Die Lagune ist seit Jahren Brutgebiet für Lachmöwen und Flussseeschwalben und in den austrocknenden Riedwiesen versuchen sich Kiebitz, Bekassine, Uferschnepfe und Schafstelze an der Brut. |
Ernst Möhl im MoMö
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MADAME BLUESCHT UND DIE APFELBLÜTE
Am nächsten Morgen geht es über den Rhein in die Schweiz. Schnell sind wir im Kanton Thurgau, den die Schweizer gerne auch scherzhaft «Mostindien» nennen, denn der Obstbau mit dem einst berühmten Thurgauer Birnenmost war hier einer der wichtigsten Wirtschaftszweige. Mit seinen sanften Hügeln ist das 70 Kilometer lange Thurgauer Bodenseeufer ideal zum Radfahren und Wandern auf rund 900 Kilometer beschilderten Radwegen. Wenn sich im Frühjahr die Knospen der Obstbäume öffnen verwandelt sich die Landschaft in ein wahres Blütenparadies, die man auf einer Fahrradtour erkunden kann. Da die Natur keinen Terminplan einhält, hat „Madame Bluescht“ von Thurgau Tourismus die Obstbäume gut im Blick und gibt Interessenten telefonisch unter +41 71 531 01 30 Auskunft, ob und was am Schweizer Bodensee gerade blüht – mitsamt Insidertipps zu passenden Erlebnis- und Übernachtungsangeboten. „Zuerst öffnen sich Zwetschgen, dann Kirschen und zum krönenden Abschluss die Apfelblüten“ erzählt sie bei einem Treffen stolz und auf der leichten Bluescht-Velotour durch das rosa getupfte Blütenmeer, die am Bahnhof Romanshorn beginnt, den man auch mit dem Bodensee-Schiffen erreicht, kann man sie erkunden. |
In Arbon lohnt der Besuch im gut gemachten neuen MoMö Museum der Familie Möhl in dem das Mostereihandwerk interaktiv präsentiert wird. Mit dem Namen spielt dessen Patron Ernst Möhl auf das MoMA in Big Apple New York an und nennt sein Haus das Museum of Modern Öpfel. Beim Gang durch die Ausstellungshalle erfährt der Besucher interaktiv viel vom langen Weg vom Apfel zum gepressten und vergorenen Saft, den notwendigen Geräten und den Aufstieg des Familienunternehmens zum nationalen Saftproduzenten. Dabei hat Möhl beim Bau auf regionale Materialien geachtet. Unter der Ausstellungshalle gärt der Most in riesigen Fässern aus Thurgauer Eiche. Den Bau des millionenteuren Museums verdankt man dem Platzmangel der Fachhochschule in Wädenswil, wo das Mosterei Museum früher zu Hause war, die ihre Ausstellungsexponate dem neuen Museum für dreißig Jahre zur Verfügung stellen. |
Kartause Ittingen
KULTUR UND WEIN DIE KARTAUSE ITTINGEN
Wir fahren weiter im Thurgauer Hinterland des Bodensees nach Warth-Weiningen und zur Kartause Ittingen, in der man 900 Jahre Baugeschichte verfolgen kann. Die Kartause war mir bereits früher beim Züricher Swiss Wine Tasting aufgefallen, einer Präsentation der besten Schweizer Winzer und Weine im Schiffbau des Zürcher Schauspielhaus. |
Der hübsche von Gärtnerin Monika Fischer gepflegte Kräutergarten liegt einen Katzensprung von der Küche entfernt, ebenso die eigene Fischzucht und der Wein, bei dem meist auf die edlen Tropfen aus dem Keller der Kartause zurückgriffen wird. Zum Frühstück kennen die Mitarbeiter manchmal die Namen der eierlegenden Hennen. Brot wird täglich frisch im Holzofen gebacken, dazu gibts Fleisch aus der eigenen Metzgerei, Joghurt, Käse und Molke aus der Käserei, Äpfel vom Hof, Kräutertee aus der Gärtnerei, hausgemachte Konfitüre und vieles mehr. Wo immer möglich aus eigenen Betrieben - mit null Kilometern und gutem Gewissen. |
Kartause Ittingen
LEBEN WIE EIN KARTÄUSER
Ein kontemplativer Ort. Die Kartäuser, die das Kloster im 15. Jahrhundert übernahmen, verfügen über eine ausgeprägte Spiritualität. Ihr Orden verbindet eremitische und monastischen Lebensweise mit Gott im Zentrum. Charakteristisch ist das Schweigen, die Einsamkeit und das Gebet. Das hat sich natürlich in der Architektur niedergeschlagen. Rund um den neuen großen Kreuzgang liegen die Häuschen der Mönche mit eigenen Gärten. |
So kann man klösterliches Leben hautnah spüren und erleben. Die bewusste Reduktion des Interieurs erinnert an das einsame, stille Leben der Kartäuser Mönche und schafft den wahren Luxus der Ruhe und Rückzugsmöglichkeit. Ein eigenes kleines Gärtchen vor der Klause lädt zum Verweilen ein. |
Mainau
BESUCH AUF DER BLUMENINSEL MAINAU
Am nächsten Morgen geht es zurück nach Deutschland. Konstanz ist dabei ein Nadelöhr, da die Schweizer Autobahn hier in eine Bundesstraße übergeht. Wir umgehen die Staus so gut wie möglich, indem wir über kleine Nebenstraßen zu unserem Ziel fahren: der Blumeninsel Mainau im Überlinger See. Eine Brücke verbindet sie mit dem Festland. |
Ihr Ehemann Philipp Haug kümmert sich unter anderem um den Versuchsweinberg. Seinen Bruder Claudius hatten wir bereits am ersten Abend im Weingut der Familie in Lindau kennengelernt. So schließt sich der Kreis. |
Überlingen
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ÜBERLINGEN - MEHR ALS PFAHLBAUTEN
Manche Besucher kommen mit einem der regelmäßigen Bodensee-Schiffe auf die Insel. Auch wir nutzen nach dem Besuch das Schiff, um in 40 Minuten hinüber nach Überlingen zu gelangen. |
Vor einigen Jahren hat der SWR zwei Familien eingeladen, in einem TV-Experiment zwei Monate lang das harte jungsteinzeitliche Leben in solchen Pfahlbauten am eigenen Leibe zu erfahren. |
Gelände der Landesgartenschau
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LANDESGARTENSCHAU 2020 ÜBERLINGEN
Von Unteruhldingen geht es entlang des von Wald und Weinbergen bewachsenen Ufers, vorbei am Wohnhaus Martin Walsers nach Überlingen, dessen altes Zentrum uns am Landungsplatz mit der Statue des Bodenseereiters empfängt. |
Wer kneippen möchte, kann dort einfach in das größte Kneippbecken der Welt hineintreten – den Bodensee. |
Köstliche Küche am Bodensee
(c) Michael Ritter
(c) Connaisseur & Gourmet 2021