Erstklassige Weine aus der Schweiz
Ziemliche Katerstimmung herrschte im vergangenen Jahr beim Swiss Wine Tasting im altehrwürdigen Kongresshaus am Zürich-See. Der Hausherr hatte den Veranstaltern mitgeteilt, dass er das Gebäude und die benachbarte Tonhalle ab Mitte Juli 2017 für rund drei Jahre wegen einer Gesamtsanierung schließen würde. Da ausreichend große und für das Tasting geeignete Hallen in Zürich schwer zu finden sind, hatte man schon mit dem Gedanken gespielt, den Ort zu wechseln. Doch zum Glück hatten die Verantwortlichen bei der Stadt Zürich ein Einsehen und hielten die wichtigste Verkostung Schweizer Spitzenweinen in ihrer Stadt. Im Schiffbau, einer renovierten Fabrikhalle, ist schon vor Jahren eine neue Heimat für das Schauspiel entstanden, die während des diesjährigen Swiss Wine Tasting auch den über 1200 Besuchern der größten Ausstellung von Schweizer Weinen ihre Gastfreundschaft bot. Mit nahezu 1000 Weinen von fast 140 Ausstellern hatten die Organisatoren um Susi Scholl und Andreas Keller ein Aufgebot Schweizer Spitzenweine rekrutiert, dass man sich – trotz der großen Hitze - auf gar keinen Fall entgehen lassen wollte. |
Erstmals wurde in diesem Jahr zusammen mit Falstaff Schweiz die Riesling-Silvaner-Trophy 2017 ins Leben gerufen. Mit dem die bei uns eher unter dem Namen ihres Züchters Müller Thurgau oder als Rivaner bekannte und in der Schweiz etwas unterschätzte zweitwichtigste Weißwein-Rebsorte ins richtige Licht gerückt werden soll. Ein Beitrag zur Wertschätzung der Deutschschweizer Weine. Hermann Müller, der sich nach seinem Heimatkanton Müller-Thurgau nannte, arbeitete lange in Geisenheim. den Urstock seiner Züchtung, die wie bei einem Ausflug an die deutsch-schweizerische Versuchsstation für Obst-, Wein- und Gartenbau bewundern können, steht jedoch in Wädenswil, oberhalb des Ufers des Zürich Sees. Müller war sich nicht ganz sicher, wer die Eltern-Rebsorten seiner Neuzüchtung waren, insofern ist der Name Riesling Silvaner immer noch auf den Etiketten anzutreffen, obwohl 1998 in Österreich gentechnisch Riesling und Madeleine Royale als Eltern ermittelt wurden. |
DAS HISTORISCHE ZENTRUM BOLOGNAS
Auf der Piazza Maggiore im Herzen Bolognas stehen schwerbewaffnete Carabinieri mit wachen Augen. Sie haben nicht die Weinliebhaber im Auge, die im 1245 errichteten Palazzo Re Enzo die Weine der regionalen Weinmesse Enologica verkosten, sondern bewachen rund um die Uhr den Eingang der Basilika San Petronio. |
Schon beim Näherkommen hört man angeregtes Geschnatter auf der offenen Loggia im ersten Obergeschoss, von der aus man den Trubel auf der Piazza gut verfolgen kann. Schon seit Jahren hat Bologna den Individualverkehr ins historische Zentrum massiv eingeschränkt. Tagsüber braucht man eine entsprechender Ausnahmegenehmigung und am Wochenende verwandelt sich die Via dell’Indipendenza, die zum Bahnhof führende Hauptstraße, in eine große Fußgängerzone. So braucht man nicht unter den 40 Kilometer langen Arkaden zu schlendern, sondern kann bei schönem Wetter von der Straße die beeindruckenden Fassaden der Prachtbauten bewundern und einen Stopp in den zahlreichen Bars oder Cafés einlegen. |
Die Weinmesse Enologica
Die Messe Enologica eröffnet Besuchern die großartige Chance an zentralem Ort in der Genusshauptstadt Bologna bei Winzern typische Weine der Emilia-Romagna zu degustieren. Auch das Gastronomische kommt bei den „Via Emilia Koch- und Weingesprächen“ nicht zu kurz. Die von den Weinexperten Luca Gardini und Adua Villa geleiteten Gespräche lassen die spannenden Rohmaterialien der Küche der Emilia-Romagna mit deren regionalen Weinen in einen Dialog treten. Nach den dabei servierten gastronomischen Probierhappen nutzte ich die Anregung der beiden Moderatoren, um mir das weingastronomische Angebot dieser Genussregion anzuschauen, dass noch stärker als heute in den Fokus des Weintourismus treten soll. |
Sie machen heute rund 95 Prozent des Markts aus und landen fast nie in Wein- und Gourmetgazetten. Erst 2009 brachte Cordula Eich für einige Jahre ihren Super Schoppen Shopper auf den Markt, in dem sie, wie sie sagt „selbstauferlegten Konsumentenauftrag“, Supermarkt- und Discounterweine auf Qualität und das Preis-Leistungs-Verhältnis testete. Eine sinnvolle Hilfe, denn der größte Teil des vergorenen Rebsafts sucht bei Discountern wie Lidl und Aldi seine Verbraucher – zu Preisen meist deutlich unter fünf Euro. |
DIE ENOTECA REGIONALE EMILIA ROMAGNA
Organisiert hatte das dreitägige Event die Enoteca Regionale Emilia Romagna, deren rühriger Präsident Pierluigi Sciolette darin mehr als 200 Produzenten vom kleinen Familienbetrieb bis hin zu den großen Winzergenossenschaften versammelt hat. „In der Emilia Romagna wird eine große Vielfalt an Weinsorten produziert“, freut sich der Grandseigneur, der den Weintourismus in seiner Heimatregion vorantreiben möchte, denn um die Produkte der Region wirklich gut verstehen zu können, sei es notwendig Land und Leute vor Ort kennenzulernen, beim Winzer vorbeizuschauen und mit den unterschiedlichen Weinen der Region auch die Kultur der Menschen tief in sich aufzunehmen. Es ist kein kleines Gebiet, da ist Vielfalt beim Wein aber auch in der Küche vorprogrammiert. Sciolette verweist dabei auf die alte Römerstraße, die die gesamte Region mit weltberühmten Städten wie Piacenza, Parma, Modena, Bologna und Rimini an der Adria über 270 Kilometer von Nordwesten nach Südosten miteinander verbindet. Auf fast 60.000 Hektar Rebfläche erntet man rund 9 Millionen Hektoliter Wein – fast so viel wie ganz Deutschland.
Es ist eine der fruchtbarsten Regionen Italiens und ein wahrer Delikatessenladen. Der Po versorgt die Region gut mit Wasser, das Klima ist mediterran und mild, Bologna, Modena und Parma waren stets reich und brachten Rezepte und Produkte auf den Markt, die jeder Feinschmecker kennt.
DIE REGION DER KULINARISCHEN GENÜSSE
Ist Parma für seinen Schinken, die Coppa und den Parmigiano-Reggiano-Käse berühmt, Modena für seinen Aceto Balsamico, so macht Bologna kulinarisch durch Ragù, Mortadella und Tortellini auf sich aufmerksam und an der Adria kann man zum Beispiel im La Buca in Cesenatico oder im Guido bei Rimini die großartigen Fische und Meeresfrüchte genießen, die Fischer am Morgen im Hafen anlanden. Die Emilia Romagna ist gesegnet mit typischen Produkten. Mit 44 Produkten hält sie den europäischen Rekord für die meisten Zertifizierungen von Agrar- und Lebensmittelprodukten. Kein Wunder, das gerade hier die „Cesarine“ gegründet wurden, eine Ansammlung von Hobbyköchen, die Gäste zum Essen bei sich willkommen heißen. |
Natürlich verlangt jedes Gericht der Region auch seinen eigenen Wein. Pierluigi Sciolette ist zuversichtlich, dass jeder das passende findet. Albana, Centesimino, Famoso, Fortana, Gutturnio, Lambrusco, Longanesi, Malvaisa, Ortugo, Pagadebit, Pignoletto, Rebola, Sangiovese, Spergola und Trebbiano, sind nur einige der Rebsorten der Region, die vielen Weinfreunden (noch) weitgehend unbekannt sind. |
LAMBRUSCO LÄNGST KEIN ALLTAGSWEIN MEHR
Neben dem schon erwähnten Lambrusco liefert auch der Pignoletto eine Reihe wirklich Trinkens werter Weine. Die weiße Rebsorte wird auf rund 7.000 Hektar angebaut. Wegen ihrer Pflegebedürftigkeit wurde sie bisher nicht oft kultiviert, doch das ändert sich gerade. Der Pignoletto oder Grecchetto Gentile ist äußerst aromatisch und mit leichter Säure und dient auch zum Verschnitt mit anderen Weißweinen. Für die Menschen in der Region sind dies die Alltagsweine, die man schon mittags genussvoll trinkt. Vielfach sind es die örtlichen Winzergenossenschaften, die große Mengen davon auf die Märkte bringen. |
Durchaus ein Highlight bei der Verkostung war der trockene, elegante und perfekt ausbalancierte “Concerto”, ein Lambrusco Reggiano DOC 2018 secco von Medici Ermete & Figli aus Lambrusco Salamino. Auf der Messe traf ich Alessandro Medici aus der jüngsten Generation des Weinguts. Ich erzählte ihm, dass ich während meines Praktikums bei der Industrie- und Handelskammer in Parma mit einem Medici zusammengearbeitet hätte. „Das dürfte mein Großvater Giorgio gewesen sein“ erzählte er. Das würde passen, denn von ihm erfuhr ich, dass Lambrusco nicht der Inbegriff eines minderwertigen süßen Massenweins sein muss, bei dem man sogar Cola vorzieht, sondern das perlende Pressgut auch qualitativ hochwertig sein kann, wenn im Keller die Vinifizierung – wie bei Medici Ermete - gründlich überwacht. Dann kommen auch Tropfen wie der Concerto heraus, die nicht nur auf Sommerpartys überzeugen. In vielen Toprestaurants der Region stehen deshalb diese Weine auf der Weinkarte. |
ERSTKLASSIGE WEINGÜTER UND GÜNSTIGE PREISE
Das Weingut mit seinem 75 Hektar Rebfläche wurde Ende des 19. Jahrhunderts von Remigio Medici gegründet. Schon oft wurde der Lambrusco-Hersteller im Laufe der Jahrzehnte ausgezeichnet und liefert mit seinem 'Concerto', der auch bei uns in Deutschland weniger als 9 Euro kostet Jahr für Jahr wieder höchste Qualität. Die Trauben werden streng selektiert und der erlaubten Höchstertrag pro Hektar deutlich unterschritten. Die Trauben stammen von der Hochebene und dem unteren Teil der Hügel, wo der lehmige Boden und das besondere Mikroklima sich gut dafür eignen. Das Weingut arbeitet dort umweltfreundlich mit zwei Betrieben. Die Trauben der langlebigsten und besten Weine reifen in sehr gepflegten eigenen Weingärten, für andere Weine greift man auch gerne auf benachbarte Betriebe zurück. Auch bei Weinen wie dem Assolo oder dem Bocciolo, ersterer trocken aus Lambrusco Salamino und dunklen, fruchtigen Ancellota gekeltert, letzterer süß aus Lambrusco Grasparossa, bietet das Weingut eine erstklassiges Preis-Genuss-Verhältnis. |
Die sandigen Weinberge aus Kalkmergel und Schwemmland liegen oberhalb des Flusses Panaro. Meist sind es Sorbara- und Salamino-Trauben, die dort wachsen. Auf den felsigen Ausläufern des Apennins wächst einige Kilometer südlich der Grasparossa. Meist sind es die typischen Pergola-Anlagen, die sich gut für eine Durchlüftung der Rebstöcke eignen. Spannend fand ich auch den Rosé del Cristo. Kein typischer Lambrusco, sondern ein nach der klassischen Methode auf der Hefe vergorener Sekt aus Lambrusco di Sorbara Trauben, der mit seiner blassrosa Farbe und den Aromen von Himbeere und kleinen Walderdbeeren begeisterte. Der DOC 2012 Brut kostet zwar rund das Dreifache des Vigna del Cristo, ist aber jeden Cent wert. |
PIGNOLETTO -DER WEISSE SCHWAGER DES LAMBRUSCO
Gerade in den Hügeln rund um Bologna gedeiht der Pignoletto ausgezeichnet. Schon Plinius der Älteren hatte vor rund 2.000 Jahren in seiner Naturgeschichte einen Wein vorgestellt, der an ihn erinnert. Ein sehr angenehmer leichter Wein von voller strohgelber Farbe mit einem schönen kräftigen Aroma und leichter Säure mit einer leichten Bitternote beim Abgang, Die ideale Wahl für Fischgerichte und leichte weiße Fleischspeisen. Mit dem Quintessenza Pignoletto Spumante Brut DOC hat Medici Ermete ein schönes und preisgünstiges Exemplar im Angebot. Auch das Weingut Umberto Cesari, das sich besonders durch seinen schönen hocheleganten Sangiovese wie den Tauleto 2012 hervortut, hat mit seinem Pignoletto Frizzante einen sehr schönen fruchtig-frischen Perlwein im Angebot |
Doch wer schon einmal in Imola ist, sollte unbedingt auch nach Dozza fahren, ein faszinierendes mittelalterliches Dorf inmitten von Weinbergen, dessen Rocca Sforzesca, die Enoteca Regionale Emilia Romagna beherbergt, in deren rund 1.000 Quadratmeter großen Weinkeller rund 800 Weine aus der Region angeboten werden. |
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