Schon bevor die Sonne herauskommt macht sich Klaus Wilhelm Gérard mit seinen Hunden Attila und Leo auf der Jagd nach dem Diamanten der Wälder. Gérard ist „tartufaio“, ein Trüffelsucher. „Man findet Trüffeln fast das ganze Jahr über“, erzählt er begeistert. „Erst kommen die Frühjahrstrüffeln, die Bianchetti, die unter Pinien wachsen, dann ist Saison für die Sommertrüffel und am 1. Oktober fällt der Startschuss für die berühmte weiße Alba- oder Herren-Trüffel, die ich bis zum Jahresende sammeln darf, wenn es Zeit ist für die schwarze Wintertrüffel.“ Derzeit haben sie sich rar gemacht. Das hat unmittelbare Auswirkungen auf den Preis, denn lange aufbewahren kann man diese Schätze nicht. „Bis zu 4000 Euro pro Kilo zahlt man zur Zeit beim Großhändler, fast doppelt so viel wie sonst.“ „Weiße Trüffeln sofort wegessen“ lautet das Motto des bärtigen Naturfreunds. Für oft zitierte Lagerungstipps in Marmeladengläsern oder gar Reis hat er wenig übrig.
Gérard ist einer der wenigen Ausländer („der einzige Deutsche“) mit der begehrten Lizenz zum Trüffelsammeln, für die er bei der Forstbehörde eine Prüfung ablegen musste. Als der 60jährige vor 15 Jahren wahr machte, wovon Pilzsammler und Köche träumen und in den Marken bei Ancona, einem Gebiet, das mit zu den besten Trüffelgründen der Welt zählt, ein Haus kaufte und dort seinen eigenen Wein anbaute, hat er wohl nicht damit gerechnet, welche Auswirkungen dies auf sein Leben haben würde. Seitdem pendelt er zwischen Peißenberg im oberbayrischen Alpenvorland, wo er mit Wohnwagen sein Geld verdient und den Marken hin und her. Waren es anfangs nur Freunde der Familie, die sich bei ihm über die Trüffel informierten, so bietet er heute mit The Italian Way Trüffelreisen für Profis und Enthusiasten an. Vor zwei Jahren verriet er in einem Buch bei Piper die Geheimnisse des Trüffelsuchers - auch, was man kulinarisch mit der Edelknolle anstellen kann.
Seit Jahren streift er in der Trüffelsaison regelmäßig mit seinem Lagotto-Hund Attila und dem zweijährigen Leo auf der Suche nach der weißen „Königin Italiens“ durchs Unterholz. Warm angezogen zieht er weit vor Sonnenaufbruch mit Stiefeln, Taschenlampe und den beiden Hunden los. Im feuchten Lehmboden auf einer Höhe von 400 bis 600 Metern gedeiht sie. Der runde Pilz, der die Größe eines Apfels erreichen kann, richtet die Farbe seines zarten Fruchtfleischs an dem Baum aus, mit dem er in Symbiose lebt. Ist es bei der Pappel fast weiß, so geht es bei der Eiche und der Linde ins Hellbraune bis Rötliche über. „Früher hat man auch in Italien Schweine bei der Suche eingesetzt, doch die durchpflügen den Boden und verletzten dabei das Myzel, das die Reproduktion der Trüffel ermöglicht. Deshalb wurde die Suche mit ihnen 1982 verboten“. Entzündet hat sich Gérards Leidenschaft für die Trüffel an einem alten Kochbuch. Das Handwerk erlernte der Bayer, der gut Italienisch spricht, bei den wortkargen Sonderlingen seiner neuen Heimat. Heute ist er selbst gefragter Experte. Seine Hunde hat er selbst ausgebildet. „Die Kinder haben sich immer über die Überraschungseier gefreut. Ich habe die gelbe Kapsel darin mit Trüffelresten gefüllt, sie angebohrt und die Hunde damit spielen lassen“ verrät er seinen Trick. Wenn der erfahrene Attila im Wald eine Trüffel erschnuppert, die 10 bis 50 Zentimeter tief im Boden versteckt ist gibt er ein Zeichen und lässt sein Herrchen graben. |
Der junge Leo buddelt sie auch schon mal aus und apportiert sie. Nur reife Trüffeln verströmen das Sexualhormonen ähnelnde Gas, das die Hunde anlockt. Oft wachsen die Trüffeln in feuchten, lehmigen Hängen. Mehr als einmal ist Gérard bei der Suche darauf ausgerutscht. „Wenn ich dann schlammbedeckt zum Espresso in die Bar komme gucken die Leute immer.“ Warum er bei Dunkelheit losgeht, wegen der anderen Trüffelsucher, denen man seine Stellen nicht verraten will? Auch, sagt er, doch eigentlich wegen der Hunde, die im feuchten Morgennebel besser riechen können als wenn die Mittagssonne den Boden aufwärmt. Ganz ungefährlich ist die Trüffelsuche nicht. Mal wird ein Hund vergiftet, mal ein Auto zerstört, doch meist geht es recht zivilisiert unter den tartufaios zu. 30 bis 40 Trüffeln bringt er von seinen Ausflügen meist mit, meist kleine Knöllchen, aber ab und zu auch Prachtexemplare, wie die 537 g schwere Trüffel, mit der er vor Jahren seinen eigenen Rekord aufstellte.
Fünf schwarze und zwei weiße Trüffelsorten wachsen in den Marken („die größte Trüffelvielfalt Europas“). Jede dieser Sorten, die alle den lateinischen Familienamen Tuber (Schlauchpilz) gemein haben, hat bevorzugte Bäume, mit deren Wurzelwerk sie über das verästelte Myzel eine Symbiose bilden. Das erlaubt die gezielte Anlage von Trüffelhainen, in die mit Trüffelsporen geimpfte Setzlinge gepflanzt werden. Wenn alles gut geht, wachsen nach 7 bis 15 Jahren die ersten Trüffeln. Das haben einige Landbesitzer getan, schließlich gab es dafür gute EU-Zuschüsse und freuen sich jetzt über tuber melanosporum, die vielseitige schwarze Norcia-Trüffel. Doch beim begehrten tuber magnatum, dem weißen Trüffel, funktioniert dieser Anbau nicht.
Der Kauf von Trüffeln vor Ort ist heikel und man sollte windigen Angeboten, die ein Schnäppchen versprechen, widerstehen, denn gern nutzen Betrüger die Unkenntnis, um minderwertige Ware an den Mann zu bringen. Auf den Trüffelmärkten kann man beobachten wie der so diskret wie Drogendeals abgewickelte Handel mit den kostbaren Knollen, die Rossini «den Mozart unter den Pilzen» nannte, funktioniert. Die weiße Trüffel hält gerade mal 3 bis 4 Tage und baut täglich Gewicht und Geschmack ab. „Gute Trüffeln sind fest und unversehrt.“ Optimal genießt man sie tagfrisch vor Ort, zum Beispiel in Acqualagna, wo im November die Messe der weißen Trüffel stattfindet oder im „Da Rolando“ in San Constanzo, wo Trüffelgerichte zu erschwinglichen Preisen angeboten werden. Aber auch in der Frankfurter Villa Kennedy findet am 3. November eine (kleine) Trüffelmesse statt. Am besten passt die weiße Trüffel zu einfachen Gerichten wie Risotto, Tagliatelle oder einem Ei, meint Gérard. Schwarze Trüffel kann man auch etwas länger aufbewahren. Gérard reibt sie , wenn er besonders viele gefunden hat, mit einem Reibeisen klein und friert sie in Tupperware ein. „Sie verfeinert die Speisen. Wenn man Tagliatelle kurz kocht und sie einige Minuten in der Pfanne in einer Mischung aus Trüffeln und Knoblauch und Butter ziehen lässt, um sie dann mit Trüffeln und Parmesan zu servieren, schmeckt das ausgezeichnet.“
Rundum-Informationen über die Trüffel mit Rezepten von Spitzenköchen bietet auch das gerade auf der Frankfurter Buchmesse mit der Goldmedaille der Gastronomischen Akademie Deutschland ausgezeichnete Buch Trüffel von Feinkostexperte Rolf Bos und Fotograf Thomas Ruhl in der Edition Fackelträger. |