Routes de Sens authentique auf der Ile de Beauté
Bild Korsika
Von Patrick Rouzet - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, Link
Île de Beauté – Insel der Schönheit – das ist nur einer der Namen, mit der die Menschen Korsika, die große Mittelmeerinsel, rund 160 Kilometer südöstlich der Küste Frankreichs schmücken. Das „Gebirge im Meer“ ist für Weintouristen ein Paradies, denn es zählt nicht nur zu den ältesten Weinbaugebieten der Welt, sondern bringt bis in unsere Tage Weine hervor, die auf der Insel so begehrt sind, dass sie nur selten den Weg ins Mutterland oder gar nach Deutschland schaffen.
Bereits vor mehr als 2500 Jahren wurde Korsika von den Phönikern besiedelt, die sie wegen ihrer Wälder „Korai“ nannten, was so viel wie „von Wald bedeckt“ bedeutet. Später kamen Römer, Pisaner und Genueser, welche die Macht auf der Insel übernahmen und den Weinbau zu neuer Blüte führten. Die Genuesen erließen 1572 die Verordnung, dass jede Familie vier Rebstöcke pflanzen musste und weiteten dies später um weitere 20 Rebstöcke aus. |
Meist waren es italienische Rebsorten Doch schon damals bröckelte die Macht Genuas und die Insel strebte – besonders unter der einigenden Hand des Revolutionärs und Widerstandskämpfers Pascal Paoli- nach Unabhängigkeit. Obwohl er nach dem Verkauf der Insel an Frankreich die Waffen strecken musste und ins Exil ging, erinnert in Korsika vieles an „U Babbu di a patria“ („Vater des Vaterlandes“). |
Bild Ajaccio
Als in Ajaccio der spätere Kaiser Napoleon geboren wurde, gewährte er seiner Heimat das Privileg, Wein ohne Steuerabgaben zu verkaufen und lies so den Weinbau boomen. Er war damals für viele Korsen die Lebensgrundlage, weshalb die Insel 1873 besonders hart von der Reblaus getroffen wurde. Erst in den frühen 60ern des letzten Jahrhunderts wurde der Weinbau durch die Pieds-Noirs, die Algerien-Franzosen wiederbelebt, die im großem Umfang südlich von Bastia auf 32.000 ha Massenträger pflanzten und Korsika zum Weinsee Europas machten. Schnell kam es zu einem der ersten Weinskandale Europas. In Algerien hatten die Pieds-Noirs meist tief-dunkle, alkoholreiche Rotweine erzeugt, die Frankreich gern zum Verschnitt nutzte. |
Auf Korsika konnte man solche Weine aber nur durch Beimischung von Zucker erzeugen. Die Entlarvung des Winzers Henri Depeille als Weinpanscher war eine Schlüsselszene des korsischen Autonomiebestrebens und ruinierte 1975 nicht nur den Ruf des korsischen Weins, sondern zeigte auch die Probleme, die Frankreich mit der immer noch nach Selbstbestimmung strebenden Insel hatte. Mit dem Weinbau ging es mengenmäßig bergab. Ein EU-Programm begünstigte die Rodung von drei Viertel der Weinbergen. Dabei wurden die Massenträger im großem Umfang durch edle Rebsorten ersetzt. |
Bild Fahne Korsika
Von Patricia.fidi - Eigenes Werk, CC0, Link
Die Domaine de Vico erinnert dort mit dem schwarzen Kopf und dem Kopftuch auf ihrem Etikett noch heute an den korsischen Unabhängigkeitskampf. Weiter südlich schließt die AOC Porto-Vecchio mit Grenache, Nielluccio und Sciacarellu an, wo der beeindruckende Christian Imbert mit seiner Domaine de Torraccia sehr schöne Weine, wie den Oriu aus den beiden korsichen Sorten produziert.
Das Klima ist sonnenreicher als in Frankreich. Rebsorten, wie der autochthone rote Sciacarello und der Nielluccio genannte Sangiovese, die weiße Vermentino-Traube, die hier Malvoisie genannt wird, werden hier sonst hauptsächlich gekeltert. Korsika ist nach Sizilien und Sardinien drittwichtigste Weininsel im Mittelmeer und noch immer ist Wein Korsika wichtigster Exportartikel. Meist wird er als Vin de Pays „Ile de Beauté“ auf den Markt gebracht, doch die AOC-Weine erreichen mit knapp 114.000 hl gut die Hälfte der Vins de Pays-Produktion. |
Dabei sind die Korsen inzwischen durchaus qualitätsbewusst. Während 70 % der AOC-Weine auf der Insel bleiben ist das Verhältnis bei den Vins de Pays umgekehrt. Der Rest Frankreichs konsumiert die Hälfte der Weine, die die Insel verlassen. |
Bild Bastia
Public Domain, Link
Besucher aus Deutschland kommen meist mit dem Flugzeug oder der Fähre über die Côte Azur oder Italien in Bastia an. Die Hafenstadt lockt mit Charme, dem alten Hafen und der reizvollen Place Saint-Nicolas mit netten Restaurants. A Casarella erwartet den Gast auf der Zitadelle mit typischen Gerichten. Nördlich der Stadt liegt die Halbinsel Cape Corse. |
Die Muscat-Winzer bauen ihre Reben für Dessertweine auf Terrassen mit eigenen AOC an. Nach der Lese werden sie in Holzkisten getrocknet, um den Zuckergehalt zu erhöhen. Ein gelungenes Exemplar ist Jean-Noel Luigis Muscatellu. Ansonsten baut er seine Weine am Cape Corse gerne trocken aus, wie den exzellenten Clos Nicrosi. Die Rotweine der Gegend zeichnen sich durch ihre Eleganz und Lagerungsfähigkeit aus. |
Nur einen Katzensprung oder eine malerische kurvenreiche Fahrt um die Halbinsel ist es ins malerische Saint-Florent, Ausgangspunkt eines lohnenden Küstenpfads entlang der Côte des Agriates, der durch faszinierende von Macchia überzogene Landschaft mit Wildbächen führt. Nur die Paglighi, alte Strohschober der Hirten mit grasbedeckten Dächern erinnern daran, dass Menschen in dieser unter Naturschutz stehenden Region aktiv sind. Auf den Weg durchquert man die wichtige AOC Patrimonio mit fruchtigen Rosés. |
Der eloquente Antoine Aréna ist einer der besten Winzer Korsika. Neben einheimischen Traubensorten keltert er ausgezeichneten Muscat Cape Corse und den spannenden Bianco Gentile, eine seltene autochthone Rebsorte. Der rote Patrimonio von Domnique Gentile ist wie die Domaine Orenga de Gaffory mit der Cuvée des Gouverneurs einen Besuch wert. |
Bild L'Ile-Rousse
Weiter durch die Berge geht es nach Westen in die Balagne, den „Garten Korsikas“. In L'Ile-Rousse lädt in der Altstadt das Perla Corsa mit eleganten Zimmern und einen zauberhaften Meerblick. Schon Seneca schätzte die Weine der Balagne. Clos Landry lädt zum Besuch. In Calvi erinnert viel an Pascal Paoli. Gourmets sind im Chez Charles im nahen Lumio gut aufgehoben. |
Nicht nur zeitgemäß eingerichtete Zimmer erwarten den Gast, sondern auch mit einem Michelin-Stern gekrönte kreative und preiswerte korsischer Gerichte aus der Küche von Olivier Lozac'h. Die Weinkarte bietet einen guten Überblick über die Weine der AOC Calvi. Lohnend der pfeffrige Rosé Clos Culumbu von Etienne Suzzoni oder die Cuvée Fiumesccu der Domaine Alzipratu. |
Nach Süden geht es zur korsischen Hauptstadt Ajaccio mit granitreichen Böden. Meist ist es die autochthone Sciacarello-Traube, die fast nur hier wächst. Clos Capitoro und Graf Guy de Poix auf seiner Domaine de Peraldi produzieren sehr elegante Rotweine.
Routes de Sens
Lohnend ist die Fahrt ins Hinterland der Insel. Zehn Routes des Sens Authentiques hat das korsische Fremdenverkehrsamt entwickelt, um Gäste von den Stränden in die unbekannteren Teile der Insel zu entführen. Kulinarisch liegt die Insel irgendwo zwischen Frankreich und Italien, doch es gibt auch typisch korsische Aspekte. Der bodenständige Kochstil nimmt seine Energie von dem Land, sonnenverwöhnten Früchten und Gemüse und den exzellenten Fleisch und Käse der Insel. Oft genießen die Korsen das Essen mit ein paar Gläsern korsischen Wein. Wahrscheinlich das beliebteste Gericht im Landesinneren sind die Wildschweingerichte, wie die Wildschweinterrine “Terrine de Sanglier“, die mit Nudeln oder Polenta serviert werden. |
Lohnend auch Kalb mit Oliven (Veaux aux olives) oder Tianu, ein langsam gekochtes Stew aus Wildfleisch. Die korsische Eigenständigkeit findet man auf den Speisekarten wieder, wo die Gerichte nicht (nur) in Französisch, sondern auch im korsischen Dialekt stehen. Die Küche hat einen ganz besonderen Geschmack: Die Kräuter der korsischen Macchia, wie Thymian, Majoran, Rosmarin, Basilikum und Myrte verleihen ihr ein besonderes Aroma. Eine Wurstspezialität ist die Sangui, eine Blutwurst mit würzigen Gebirgskräutern. |
Auch die Käsesorten sind berühmt. Der cremige korsische Schafskäse wird gern mit Wildkräutern oder in Olivenöl eingelegt serviert. AOC-kontrolliert ist Brocciu. Aus Schafs- oder Ziegenmilch wird er gerne als Füllung von Ravioli oder für Omelettes verwendet. Der beste Käse entsteht zwischen Ostern und Allerheiligen, wenn die Tiere würzige Bergkräuter fressen. Ein symbolisches Gericht ist die Pulenta aus Kastanienmehl und Wasser, zu dem gegrillte Figatellu oder Wildscheinleber gereicht wird. Wegen der Küsten sind natürlich auch Fisch und Meeresfrüchten gefragt.
Ein traumhaftes – leider nicht ganz billliges – Quartier ist das schöne Relais & Chateaux Hotel La Villa bei Calvi, von wo man die Insel mit dem Wagen erkunden kann und die Zeit mit Panoramablick über Stadt, Strand und Meer genießen kann.
(c) Connaisseur & Gourmet 2021