Lublin - Besuch im Ostpolen
Lublin
Prachtvolle Belle Epoque-Bauten
Die ganz große Zeit Lublins liegt schon ein paar Jahrhunderte zurück. Während der Lubliner Union profitierte die Stadt von ihrer Lage im Herzen des Landes zwischen Kiew und Breslau an der Via Regia. Doch die Kriege der letzten Jahrhunderte verschoben die Grenzen des Landes gleich mehrfach. Damals bewohnten Galizien so viele Volksstämme, wie kaum einen anderen Teil des Landes. |
Früher diente der von palastartigen Bauten gesäumte zentrale Litauer-Platz Militärparaden zum Aufmarsch, heute gestaltet man ihn aufwändig zur Fußgängerzone um. Der Name erinnert an die Zeit ab 1569, als Lublin ein wichtiges und reiches Zentrum der Adelsrepublik war, die von Riga im Norden bis in die Ostukraine und an die Grenze des Habsburger Reichs reichte. |
Lublin
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Besuch in der Altstadt
Schnell ist man in der Altstadt, die noch immer hinter dem mächtigen Backsteinbau des Krakauer Tors liegt. Nicht alle Bauten aus dem 15. bis 17. Jahrhundert überstanden den deutschen Angriff wenige Tage nach Kriegsbeginn, da Lublin im Kriegsfall Ausweichquartier des polnischen Präsidenten werden sollte. |
Eines davon ist das Mandragora. In die Fensterhöhlen der oberen Etagen hat man vergrößerte Porträts aus dem Archiv eines jüdischen Fotografen platziert. Auch wenn heute weniger als 20 Juden in der Stadt leben, spürt man, wo man geht und steht, das Gedenken an die jüdische Vergangenheit – sei es durch temporäre Ausstellungen von Schautafeln, sei es durch Pflastersteine, welche die Grenzen des jüdischen Ghettos markieren. Das war nicht immer so, doch dazu später. |
Latkes
Kulinarisches jüdisches Erbe
Das Mandragora ist ein jüdisches Restaurant. Die Zeiten, als die Stadt und viele kleinere Nachbargemeinden einen eigenen Rabbi hatten, sind lange vorbei. Auch die Köchin und Inhaberin des Restaurants ist selbst Christin. Mit der jüdischen Küche pflegt sie eine Tradition, die sie von ihrer jüdischen Großmutter übernommen hat. |
Manch einer sagt, dies sei das beste Restaurant in Lublin und Umgebung. Viele jüdische Gäste aus Israel und dem Rest der Welt nehmen das Angebot jedenfalls gerne an, denn für sie ist Lublin ein Ort des Gedenkens geworden. |
Schloss
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Die Dreifaltigkeitskapelle im Schloss
Eine Brücke führt heute vom Grodzka-Tor herüber zur Burg. Kunstfreunde lassen sich nicht durch den im 19. Jahrhundert errichtet neogotischen Neubau blenden und gehen direkt zur königlichen Dreifaltigkeitskapelle aus dem 14. Jahrhundert, an deren Wänden und Decken kunsthistorisch wertvolle byzantinische und altrussische Malerei aus der Zeit der Jagiellonen erhalten blieb. Eine schöner Mix westlicher und östlich-orthodoxer Stile. |
Nachdem die Deutschen die Stadt 1939 eingenommen hatten, erschossen sie die polnische Intelligenz und siedelten die jüdischen Bewohner ins Ghetto um, das auf engsten Raum bis zu 26.000 Menschen beherbergen musste, bevor sie deportiert und ermordet wurden. Die Synagogen, Geschäfte und Wohnhäuser wurden abgerissen. Nach dem Krieg bekleckerten sich auch die Polen nicht mit Ruhm, als sie die frei gewordene Fläche mit Neubauten, großflächigen Plätzen und Straßen Projekten verplanten. |
Teatr N.N.
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Jüdische Erinnerung im Teatr N.N.
Tomasz Pietrasiewicz ist einer der Väter des Teatr N.N. im Grodzka-Tor. Statt des erwarteten Theaters entstand dort in den vergangenen 25 Jahren ein Museum. „Als wir uns der Vergangenheit bewusst wurden, die mit diesem Teil unserer Stadt verbunden war, mussten wir die Geschichte der Lubliner Juden im Holocaust lebendig halten“, erzählt unser Führer. Selbst die Straßen des jüdischen Viertels hatte man mitsamt ihren Bewohnern ausradiert. „Wir wollen diese Menschen vor dem Vergessen bewahren“. Zusammen mit Helfern sammelte das Team Berichte, Interviews, Fotografien, Briefe und andere Erinnerungsstücke von 1.600 Überlebenden und Zeitzeugen. Über jedes der 1.500 von Juden bewohnten Häuser der Stadt, von denen der Großteil durch kommunale Sanierung verschwunden ist, legten sie einen Ordner an. In 43.000 Aktendeckeln, einer für jeden Lubliner Juden des Jahrs 1939 sammeln sie alle verfügbaren Informationen. |
2007 brachte die israelische Künstlerin Neta Żytomirska-Avidar zu einer Ausstellung ein Album von Familienfotos mit. Auf einigen davon war ihr Couisin Henio Zytomirski zu sehen, der 1933 in Lublin zur Welt kam. Zu seiner Einschulung entstand das letzte Foto von ihm. An diesem Tag überfielen die Deutschen Polen, zwangen später die Familie zur Umsiedlung ins Ghetto. Am 9. November 1942 starb der 9-jährige zusammen mit seinem Vater in der Gaskammer von Majdanek. |
Majdanek
Das Konzentrationslager Majdanek
Obwohl es „nur“ rund 17 Monate als Konzentrationslager bestand, ist Majdanek den meisten Deutschen ein Begriff. Es war es eines der letzten großen Verfahren gegen ehemalige SS-Angehörige, das zwischen 1975 und 1981 in Düsseldorf stattfand. Deutschland sah sich nach dem Eichmann-Prozess in Israel gezwungen, selbst ebenfalls die schleifende Verfolgung der NS-Täter zu intensivieren. |
Was 1941 als Lubliner Kriegsgefangenenlager der Waffen-SS begann, wurde ab Anfang 1943 bis zur Befreiung im Juli 1944 als Todeslager genutzt. Zwar starben dort nicht die anfangs angenommen 1,7 Millionen Menschen, sondern nach aktuellen Forschungen „nur“ 78.000, doch auch das sind 78.000 Tote zu viel. |
Die Feiern zur 700-Jahr-Jubiläum
Als sich Lublin vor einigen Jahren als Europäische Kulturhauptstadt 2016 bewarb, unterlag man Breslau. Doch dann beschloss man, im Jahr 2017 den 700. Jahrestag der Verleihung der Stadtrechte mit einem Veranstaltungsreigen zu feiern. |
An diesen Zauberer erinnert auch der regelmäßig stattfindende „Carnaval Sztukmistrzów“ mit Magiern und Akrobaten aus aller Welt. 2017 wird es vom 22. bis 30. Juli durch die 40. Europäische Jonglierkonvention, Europas größtes Jonglierfestival, ergänzt. Die Stadt verwandelt sich dann in ein wahres Paradies für Slackliner, die ihre Hochseile zwischen den Gebäuden der Altstadt spannen und über den Köpfen der zahlreichen Einwohner, Studenten und Besucher balancieren. |
Journey to Poland
Die "Journey to Poland"
Jahr für Jahr kommen noch mehr junge Menschen zu Besuch in die Stadt: 30.000 davon aus Israel, das eine besondere Klassenfahrt ausreichtet, auf deren Programm der Besuch mehrerer polnischer Konzentrationslager steht, in denen ihre Vorfahren durch Hunger, Kälte, Krankheit, schlechte Behandlung und Erschöpfung oder durch Mord, wie bei Henio und seinem Vater, von deutschen Nationalsozialisten ums Leben gebracht wurden. |
In großen Gruppen standen sie zusammengepfercht in den Waggons der Todestransporte. Dunkel war es darin, kein Licht und immer noch drängen weitere Menschen nach. In einem Massengrab haben die Nazis an nur einem Tag 800 Kinder erschossen. Jeder der Jugendlichen soll sich in ein Opfer hineinfühlen. Wie war sein Name? Wie sah es aus? Wo kam es her? Was machten seine Eltern? |
Zamosz
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Besuch in Renaissance-Städtchen Zamosz
Wir fahren von Majdanek weiter in Richtung Südosten. Das kleine Städtchen Zamosc liegt unweit der Grenze zur Ukraine, nur 110 Kilometer entfernt von Lemberg. Das Stadtbild überrascht, denn was uns hier begegnet, hat mehr mit Italien gemein, als mit Polen. Zu Recht, denn entstanden ist die Idealstadt ab 1578 nach den Plänen des venezianischen Architekten Bernardo Morando. |
Den Namen gab der Stadt ihr Gründer Jan Zamoyski. Der umfassend gebildete Magnat hatte in Padua studiert, war zeitweise sogar Rektor der Universität Padua und bekleidete während der Lubliner Union mit Litauen die höchsten Staatsämter. |
Kazimerz Dolny
Besuch im Weichselort Kazimierz Dolny
Auf der Weiterfahrt nach Warschau steht ein kurzer Besuch von Kazimierz Dolny auf dem Programm. Die Kleinstadt am östlichen Weichselufer ist wegen ihrer bezaubernden Lage und der historischen Altstadt beliebt für Ausflügler, Kurzurlaube oder eine Zweitwohnung. |
Wie in Zamosc hatte man auch hier armenische, griechische und jüdische Kaufleute die Ansiedlung gestattet. Leider legten die folgenden Kriege die anfängliche Aufbruchsstimmung lahm, denn der florierende Getreidehandel durch die Verschiffung kam bald durch Kriege und die anschließende Teilung Polens zum Erliegen. |
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