Oberschwaben und seine Barockküche
Oberschwaben und seine Barockküche
„Wenn Du glaubst, bete, wenn Du nicht glaubst, genieße“ |
Unsere Zeit ist sei mit Kochbüchern reich gesegnet, doch wenn es um Oberschwaben ging, bedauerte er, würde es von Stuttgart oft als „toter Winkel“ übergangen. Maultaschen fände man, aber „Nonnenpfürzla, Bubaspitzla und Bauraseckala müssen endlich aus dem Dornröschenschlaf geweckt werden“. |
Aus dem 100-jährigen Kriegs in die Barockwelt
Bis Süddeutschland dessen üppige Pracht für sich entdeckte, sollten allerdings einige Jahrzehnte vergehen. Kein Wunder, meint Barczyk, denn der Dreißigjährige Krieg entvölkerte zusammen mit Hungersnöten und Seuchen ganze Landstriche. Erst der Westfälischen Frieden brachte auch im Süden den lang erhofften Frieden. |
Beeindruckt blickten viele Kleinstaaten über den Rhein nach Frankreich und über die Alpen nach Italien, wo der Papst und absolutistische Herrscher und Kirchenfürsten alle Register zogen, um Gläubige mit Pomp und Gloria im Schoss der römisch-katholischen Kirche zu halten. |
Barocke Pracht allerorten
Besonders das Vorbild Frankreich weckte Begehrlichkeiten. Wer reich war, konnte es sich auch in Deutschland gut gehen lassen und schwelgen. „Jede noch so kleine Residenz dünkte sich Mittelpunkt der Welt. Jeder Regent schuf sich so sein Klein-Versailles und Kulturwerte, die ihresgleichen suchen“, freut sich Barczyk, wenn er an schwülstige Prachtbauten wie das Neue Kloster Schussenried mit seinem Rokoko-Bibliothekssaal oder die Basilika der Abteil Weingarten, der damals größten Kirche nördlich der Alpen, denkt ,die man bei einer Fahrt auf der Oberschwäbischen Barockstraße auf sich wirken lassen kann. |
Zusammen mit dem Barden Bernhard „Barny“ Bitterwolf lässt er deshalb bei Veranstaltungen in Texten, Liedern und Musik das Leben, Leiden und Lieben des gemeinen Mannes lebendig werden . |
Die Küche des einfachen Volks
„Was man gemeinhin als Barockessen bezeichnet, wurde nur in der Küche der Reichen zubereitet. Die Untertanen aßen nach alter Väter Brauch Mus, Kraut und Rüben“ macht der Historiker klar. Dass diese ländliche Küche schmackhaft sein kann, zeigte Barczyk in seinem Buch „Essen und Trinken im Barock“, für das er zahlreiche traditionelle Gerichte sammelte. |
Das Gasthaus Zur Linde der Familie Heinzelmann stammt ebenfalls aus der Barockzeit und ist damit eines der ältesten Gasthäuser Oberschwabens. Gut 100 Jahre später errichten dort in Steinhausen die Gebrüder Zimmermann ein Meisterwerk des süddeutschen Rokokos - die Wallfahrtskirche St. Peter und Paul, die sich stolz „schönste Dorfkirche der Welt“ nennt. |
Barocke Tafeley im 21. Jahrhundert
Bei der barocken Tafeley im Landgasthof lüftet Barczyk die Geheimnisse barocker Kochkunst und verrät seinen Gästen Wissenswertes über Zutaten und Gewürze dieser Zeit, während Barde Barny mit Piffel, Sackpfeife und Scheitholz kuriose Instrumente mit ungewöhnlichem Klang ertönen lässt. „Der Barock lebt vom Gegensatz; süß und sauer, bitter und süß, hell und dunkel, alles stark gewürzt. Safran, Muskat, Nelken, Ingwer und Salbei gehörten auf jeden Tisch. Beeren aller Art garnierten das Fleisch, Knöpfle wurden gern mit Spinat und roter Beete grün und rot gefärbt“ " stellt der Historiker die barocke Küche und ihre Gepflogenheiten vor. |
Die Brennte Supp‘ mit gebähtem Brot steht für das Bäuerliche, Mousse vom geräucherten Fisch mit Wildkräutern für den Klerus, Wildbret wie Ingwer-Fasan in Stachelbeersoße mit grünen Knöpflein und Kraut und Rüben für den Adel und Gefrorenes wie Pfefferminzeis mit Nonnenpfürzle, spiegelte die Küche des Bürgertums wider. Natürlich richtet sich Heinzelmann aber auch an seinen auf die heutige Zeit umgeschriebenen Gerichten am Marktangebot. Dann wird der Fasan schon mal zum zahmen Hahn. |
Das große Fressen beim Fest
Wenn zur Kirchweih, Freunde und Verwandte zusammenkamen, wurde gern groß aufgetischt. „Den Schlachtreigen eröffnete die Kirchweihsuppe aus gerösteten Eierknödeln, dann wurden Blut- und Leberwürste, geräuchertes Fleisch mit Kraut aufgetragen, gesottenes Rind- und Schweinefleisch mit Meerrettich, Rettichsalat und Senf folgten, der vierte Gang brachte Bratwürste mit grünen Salat, ein weiterer eingemachtes Kalbfleisch mit dem beliebten „Eierhaber“ (in der Pfanne zerstückelter Eierkuchen) oder leckere kleine Schmalzküchlein. |
Den Beschluss machten Kalbs- und Schweinebraten mit Rotkraut“. So beschrieb ein Chronist das üppige Gelage. |
Barocke Traditionen im Museumsdorf
Im Oberschwäbischen Museumsdorf Kürnbach bekommt man einen guten Eindruck vom Leben in dieser Zeit. An manchen Tagen bereiten dort die historische gekleideten Ochsenhauser Waschfrauen ein bäuerliches Barockessen zu, mit abgehangenem Fleisch, Spätzle und Gemüse zu, dass vor dem Haus im gepflegten Küchengarten gedeiht. |
Im Inneren ist alles wieder so eingerichtet wie in der Zeit ihrer Errichtung. Neugierig streicht eine Katze durchs Gras, Zicklein zupfen die frischen Löwenzahnblätter und der prächtige Hahn Heinrich stolziert kikerikiend durch seinen Harem. Groß sind die Häuser meist nicht. Dichter Rauch dringt dann von der offenen Herdstelle, wenn Köchinnen, Knechte und Mägde die Zutaten zum Festessen bereiten. |
Trinkgewohnheiten im Barock
Wein, noch im Mittelalter ein beliebtes Alltagsgetränk des Volks, das meist gesüßt und gewürzt getrunken wurde, kam beim Landvolk wie Fleisch nur noch an Sonn- und Feiertagen auf den Tisch und machte obergärigem Weißbier Platz. „Mönche sollen hier im Mittelalter täglich vier Liter Wein getrunken haben“, wundert sich Barczyk, „doch es gab auch viele Fastentage“.Da Fleisch dann ausfiel, legten viele Klöster Weiher für die Fischzucht an. |
Bei den Getränken hatte man im Kloster weniger Probleme . "Liquida non frangunt ieunum" - Flüssiges bricht das Fasten nicht, hatte schon im Jahr 817 das Konzil zu Aachen geregelt: Fünf Pfund Bier für den Chorherrn und drei für die Nonnen. Grund für die Mönche als „flüssiges Brot“ ein gehaltvolles Märzen oder Bockbier zu brauen. |
Alte Sudmethoden in modernen Brauereien
Noch heute gibt es Brauereien, die auf Klöster zurückgehen, wie die Zwiefalter Klosterbräu. Die Benediktiner fanden damals alles, was sie für ein Bier nach dem Reinheitsgebot brauchten, vor den Klostertoren: naturbelassene Felder, kristallklares Quellwasser und die nötige Ruhe. Heute sind es nicht mehr Mönche, sondern die Familie von Peter Baader, die in Zwiefalten an historischer Stelle Bier, wie das hefetrübe obergärige Kloster-Weizen nach alter mönchischer Tradition brauen. |
Einige Kilometer donauabwärts liegt Ehingen, wo frühere 22 Bauereien um die Gunst der Kunden warben und nennt sich stolz „Bierkulturstadt“. Nur fünf davon haben überlebt und wer möchte, kann sie und ihre 43 Biere mit einer kostenlosen App auf einem Rundgang per Smartphone erkunden. Klein sind sie alle. Der Schwanen produziert fast die Hälfte davon. Eine Wirtschaft, so richtig zum Verhocken. Lernwillige können ein Bierdiplom machen, bei dem sie Braumeister Micha Miller in die Kunst des Brauens einführt. „Der große Kessel hat 1500 Liter, aber mit dem 50-Liter-Kessel unserer Mikrobrauerei können wir schön experimentieren“, sagt Micha und stellt während der Fastenzeit ein üppig malziges Doppelbock her. Im Ortsteil Berg braut Ulrich Zimmermann in Andenken an den Heiligen Ulrich, Patron der Ortskapelle und seines Vornamens, nach altem Sudverfahren ein goldenes „Braunbier“, das beim Ulrichsfest im Juli in Massen fließt, wo er und andere regionale Produzenten ihr Angebot präsentieren. |
Zeit der Erfahrung und Entspannung im Kloster
In der vielfältigen Klösterlandschaft Oberschwaben bieten einige Klöster Besuchern die Möglichkeit eine „Atempause im Alltag“ einzulegen. Das Kloster Reute bei Bad Waldsee mit seinem Auszeithaus steht Ruhebedürftigen zur Entspannung in historischen Klostermauern offen und die Franziskanerinnen vom Kloster Sießen bieten jungen Frauen im Alter zwischen 18 und 40 Jahren „Kloster aus Zeit“, während bietet. |
Vor gut 80 Jahren fand dort Schwester Maria Innocentia ihre innere Ruhe. Bekannter wurde sie durch ihre dort entstandenen fröhlichen Kinderbilder. „Ich will nur Freude machen“ schrieb sie und noch heute erfreuen die nach ihren Zeichnungen geschaffenen und mit Ihren Familiennamen versehene fröhlich-kindlichen Hummel-Figuren Menschen in aller Welt. |
(c) Connaisseur & Gourmet 2021