The hidden Länd - Baden-Württemberg in 1. Jt.
Keyvisuals Werbekampagne The hidden Länd
© Archäologisches Landesmuseum Baden-Württemberg Keyvisual: JvM Neckar / Visuelle Kommunikation: Z10 Design Studio
Wenn man vom Ländle spricht, weiß bei uns fast jeder, dass Baden-Württemberg gemeint ist. Doch trotz des Diminutivs wird damit immer auch ein ziemlicher Respekt gezollt. Denn das Ländle mit seinen rund 11 Millionen Bewohnern kann stolz auf seine Leistungen sein. Die höchsten Exporte, die zweitniedrigste Arbeitslosenquote, ein beachtliches Bruttoinlandsprodukt und die meisten angemeldeten Patenten pro Kopf. Nirgendwo in Deutschland steckt man mehr Geld in Forschung und Entwicklung und auch ausgesprochen lebens- und liebenswert ist Deutschlands Südwesten, was sich an der höchsten Lebenserwartung ablesen lässt.
Kessel von Kariv mit Büsten dreier Sueben
Kessel von Kariv (Ukraine) mit Büsten dreier Sueben mit typischer Haartracht (Suebenknoten) aus einem germanischen Kriegergrab, 2. Jahrhundert n. Chr. © Istoryko-Krayeznavchyy Muzey, Vynnyky / V. Rohan
Das hat eine gewisse Tradition und liegt vielleicht auch daran, dass das Gebiet des heutigen Bundeslands schon seit fast einer halben Million Jahren von Vertretern der Gattung Homo besiedelt ist. Mit dem Homo steinheimensis und dem Homo heidelbergensis dürften sie sogar zu den ältesten nachweisbaren Bewohnern Europas zählen. Paläolithische Funde reichen bis zu 40.000 Jahre zurück. Zuerst im wahrsten Sinne der Erde entrissen wurden viele davon während des Dritten Reichs vom Tübinger Medizin-Professor Robert Wetzel, einem strammen Gefolgsmann Hitlers, der bis zu seinem Tod 1962 im Lonetal auf der Schwäbischen Alb die archäologischen Ausgrabungen im Eiltempo durchführte, wodurch einige der daraus resultierenden Funde, wie der im Ulmer Museum ausgestellte Löwenmensch erst nach der Zusammensetzung der Fragmente in ihrer Bedeutung erkannt wurden. Heute sind solche Ausgrabungen mit der Hacke nicht mehr State of the Art und der US-Amerikaner Professor Nicolas J. Conard, der seit einigen Jahrzehnten die Aufsicht über die Ausgrabungen in den Höhlen auf der Schwäbischen Alb übernommen hat, hat sich noch einmal mit seinem internationalen Studenten und Mitarbeitern akribisch durch die von Wetzel hinterlassenen Abraumhalden gearbeitet und dabei weitere Fundstücke ans Tageslicht gebracht. Zu seinen spektakulären Funden zählen dabei das Mammut vom Vogelherd, der Kopf des Löwen vom Vogelherd und die Venus vom Hohlefels, die weltweit frühste Darstellung des menschlichen Körpers. Inzwischen sind sechs Höhlen auf der Schwäbischen Alb, in denen die ältesten Artefakte menschlichen Kunstschaffens gefunden wurden von der UNESCO in die Welterbeliste aufgenommen worden. Sie zeugen von der weltweit frühesten figurativen Kunst und lieferten wichtige Erkenntnisse über die Entwicklung der Kunst. 2009 wurde diese Epoche vom Archäologischen Landesmuseum in Konstanz im Rahmen einer Großen Landesausstellung präsentiert. Drei Jahre später folgte mit einer Kelten-Ausstellung ein Blick in das erste vorchristliche Jahrtausend und deren damals hinterlassenen Spuren. |
Der Fundus aus dem man auswählen konnte, ist groß. Aus keinem anderen Jahrtausend der Menschheitsgeschichte des Landes liegen mehr Funde und Untersuchungen zu Siedlungen und Friedhöfen vor und kein anderes Jahrtausend wird dort länger erforscht. |
Schatzfund von Isny, um 300 n. Chr.
© Landesmuseum Württemberg / H. Zwietasch
Die Ausstelliung
Im ersten Raum, der unter dem Titel Integration den ersten beiden nachchristlichen Jahrhunderten mit dem Aufstieg und langsamen Niedergang des Römischen Reichs gewidmet ist, zeigt man, wie römische Kultur und Lebensweise einzogen, Straßen gebaut wurden, städtische Zentren aufblühten und der Limes die Grenze des römischen Reichs zur Germania Magna markierte. Rom prägte damals die Region und weite Teile Europas. Erst vor wenigen Jahren fand man in Fürstengräbern im ukrainischen Kariv, nahe der heutigen Grenze zu Polen, Prestigeobjekte dieser Zeit, die zeigen, wie die europaweit vernetzte Elite noch im Tod ihren Status und ihre gehobene Lebensführung präsentierte. Besonders einer der Funde römischer Herkunft elektrisierte damals die Wissenschaft: ein seltener Bronzekessel mit drei Ringgriffen, die am Gefäßhals befestigt waren und Plastiken von Büsten dreier vollbärtiger Männer mit deutlich erkennbarer Frisur zeigen: Das Haar von hinten und links gekämmt und oberhalb der rechten Schläfe zu einer Schlinge verknotet. Schon Tacitus beschrieb diese Frisur in seiner „Germania“ als typische Stammessitte der Sueben. Die Archäologen vermuten, dass Kessel wie dieser als Geschenke Roms an germanische Anführer oder Würdenträger bei Friedensgesprächen und Vertragsabschlüssen überreicht wurden. Die Kontakte zu Rom waren in dieser Zeit recht gut, wie man aus dem ebenfalls ausgestellten Grabstein eines germanischen Fürsten erkennen kann, der vor 30 Jahren beim Bau eines Einfamilienhauses von einem Bauern im Ortenaukreis ausgegraben und erst 2011 in seiner Bedeutung erkannt wurde. Darauf ehrt der Sohn mit dem lateinischen Namen Proculus seinen Vater, den Anführer der Sueben. Die fragmentarische Rekonstruktion des reichverzierten Prunkportals von Ladenburg im Rhein-Neckar-Kreis mit eindrucksvollen Schmuckelementen zeigt schon durch die Gottheiten und Tierköpfe eindrucksvoll die Nähe zu Rom. |
Das 5. Und 6. Jahrhundert steht unter dem Titel Kommunikation. Die Gräber der Männer des Reihengräberfelds von Lauchheim wiesen diese meist rollentypisch als Krieger mit Schwertern und Rüstung aus, während die Kunst der Frauen in deren Textilherstellung gepriesen wurde. Auch ein kleiner Junge wurde mit Waffen begraben. Hillgruber vermutet, dass man damit seine spätere geplante Zukunft als Krieger antizipiert. Ein besonderer Glücksfall ist die Leier aus einem Grab aus dem 6. Jahrhundert in Trossingen, das in einer Blockbergung im Stück gesichert wurde. Es ist ein nahezu vollständig erhaltenes Instrument und gilt als das besterhaltene Stück des Frühmittelalters. |
Bursenreliquiar aus Ennabeuren, 7. Jahrhundert
© Diözesanmuseum Rottenburg
Campus Galli - Mittelalter erleben
Unterstützung findet die Große Landesausstellung durch Hillgrubers ehemaligen Kommilitonen Dr. Hannes Napierala, der mit einem Team von festen und freiwilligen Handwerkern seit zehn Jahren (und wohl auch in den kommenden Jahrzehnten) auf der Klosterbaustelle Campus Galli bei Meßkirch eine frühmittelalterliche Klosterstadt auf der Grundlage des St. Galler Klosterplans errichtet, für dessen Bau nur die Werkzeuge und Hilfsmittel der damaligen Zeit verwendet werden. In einem von der Ausstellung durch einen Schallschlucktunnel getrennten Raum machen einige seiner Mitkämpfer das Handwerk des frühen Mittelalters in praktischen Vorführungen erfahrbar.
© Michael Ritter
Leier aus einem Männergrab, Trossingen, 580 n. Chr
© Archäologisches Landesmuseum Baden-Württemberg / M. Schreiner
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