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Besuch in der letzten Pfannensaline Europas

Pfannensaline Luisenhall

Früher wurde Salz oft in Betrieben gewonnen, die salzhaltige Sole durch Verdunsten in großen Pfannen gewannen. Vor einiger Zeit haben wir die Salinen in der Franche Comté besucht, wo der Architekt Claude-Nicolas Ledoux die großartige Königliche Saline von Arc-et-Senans entworfen hat und man in der ebenfalls zum UNESCO Weltkulturerbe ernannten Großen Saline von Salins-les-Bains noch die alten Strukturen besuchen kann. Leider erwies sich diese Methode als unwirtschaftlich, da andernorts günstiger Salz gewonnen werden konnte und so stellten im Laufe der Jahrzehnte ein Betrieb nach dem anderen die Arbeit ein. Heute ist die Saline Luisenhall in Göttingen die letzte noch in Betrieb befindliche Pfannensaline Europas. Wirtschaftlich ein Renner war sie im Laufe ihres Betriebs wohl nie, immer wieder markieren Konkurse ihre Entwicklung über die Jahre. Auch mengemäßig ist die Produktion der Saline lächerlich, die im Lauf eines Jahres gerade mal so viel Salz produziert, wie die Großen der Branche vor der Frühstückspause. Doch für Kenner lohnt sich der Kauf des Salzes, das mit anderem Salz nicht wirklich vergleichbar ist.

Viele Spitzenköche, nicht nur in der Region, wie Alexander Zinke, der Küchenchef des Göttinger FREIgeist-Restaurants Intuu, verwenden diese Spezialität der Universitätsstadt in ihrer Küche. Inzwischen ist der in die Jahre gekommene Backsteinbau der Letzte, der nach wie vor Salz wie vor hundertfünfzig Jahren Salz siedet. Jörg Bethmann, der die Leitung der Saline seiner Familie vor einem guten Vierteljahrhundert übernahm und seine inzwischen ins Geschäft eingestiegenen Söhne sehen ihren Betrieb als ein Relikt aus einer anderen Zeit. Bethmann ist stolz auf das unvergleichliche Salz, das aus der konzentrierten Sole gewonnen wird, die man aus 450 Metern Tiefe ans Göttinger Tageslicht fördert. In riesigen flachen Pfannen heizt man sie dann richtig auf, bis sich das Salz kristallisiert und abgeschöpft werden kann – ein Verfahren, das andernorts schon seit dem Mittelalter betrieben wird und das durch dem Krieg in der Ukraine und die drastisch gestiegenen Energiepreise immer kostentreibender wird.

Im Mittelalter konnte man auf Salz zum Würzen und Konservieren von Lebensmitteln nicht verzichten. Da das Salz aber nicht überall verfügbar war, entstanden Salzstraßen zwischen Gebieten ohne Salz und Salinen und Salzbergwerken. Die Orte, an denen Steinsalz abgebaut oder Mineralsalz gesotten wurde, waren schon früh für ihren Reichtum bekannt. Eines der ältesten Zentren Europas trägt als Salzkammergut noch immer das Salz im Namen und Orte wie Hallein zeugen vom Salzabbau. ausgehend in ganz Zentraleuropa zu finden ist. Es galt schon in der Antike bei den Griechen und Römern als Geschenk der Götter. Die Römer bezahlten ihre Soldaten und Beamten neben Geld mit Salz, Begriffe wie Salär für Gehalt kommen vom Salz.

Oft hört man, dass Salz früher mit Gold aufgewogen wurde, was nicht zutrifft, denn schon lange kannte man den höheren Wert des Goldes. Bereits im Mittelalter konnte sich ein durchschnittlicher Handwerker von seinem Lohn mehrere Kilo Salz leisten. Aber es blieb eine bedeutende Einnahmequelle bis ins 20. Jahrhundert und wurde oft mit einem staatlichen Monopol geschützt.

Besonders im Fernhandel hatte das „weiße Gold“ seine Bedeutung. Die Salzstraßen auf denen edle und sehr begehrte Waren transportiert wurden bescherten den an der Route liegenden Städte oft einen Aufschwung. Auf den Märkten fanden die fahrenden Händler Kunden nicht nur in den Grafen, Klöstern und Bischöfen der Region gute Kunden. Damals gab es noch keinen Euro als weitverbreitetes Zahlungsmittel und oft diente Silber und Gold als Zahlungsmittel, die Geldwechsler kenntnisreich und lukrativ in die landesüblichen Münzen tauschten.

In der Saline Louisenhall hatte man früher das Wasser der durch das Gebäude laufenden Grone für die Gewinnung der Sole eingesetzt, später ein großer Elektromotor, der inzwischen durch eine moderne kleine aber effiziente Pumpe ersetzt wurde. Sonst ist in dem Betrieb nur relativ wenig verändert worden und man sieht an den durch die Sole verursachte Korrosion den Lauf der Zeit. Vielleicht ist die Knausrigkeit in der Instandhaltung auch dem Umstand geschuldet, dass die ersten beiden Unternehmen mit ihren Bohrungen Schiffbruch erlitten und in Konkurs gingen. Das Salz aus der Saline ist mit einem Kilopreis ab 3,75 € eher ein Nischenprodukt, denn viele Verbraucher greifen beim Salz eher zum No-Name-Produkt für rund 50 Cent pro Kilo und selbst das Markensalz des Marktführers aus Bad Reichenhall kostet gerade einmal 40 Prozent. Dennoch setzen neben Zinkes im Intuu auch viele Feinschmecker und andere gastronomische Betriebe der Region auf das chemiefreie Salz aus heimischer Natursole.

Doch nicht nur in der Küche findet das Salz seine Liebhaber. Auch das auf den Wasserdoktor und Kräuterpfarrer Sebastian Kneipp zurückgehende Würzburger Traditionsunternehmen Kneipp verwendet das Tiefensalz aus Göttingen, da es sich durch seine einzigartige Struktur hervorragend eignet, sich mit den ätherischen Ölen zu Badesalzen ohne Mikroplastik zu vereinen.

Salz ist aggressiv

(c) Michael Ritter

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