Der Portugiese Antonio Bras hat zwei Leidenschaften: Musik mit Synthesizer mit Computer und das Kochen. Schon als kleines Kind kam der heute 55-jährige vor knapp einem halben Jahrhundert nach Deutschland. Sein Vater arbeitete dort und wollte seine Familie in Sicherheit bringen, denn in Portugal herrschten damals noch die Nachfolger des Diktators Salazar, die das Land in eine Krise geführt hatten in der die Lage immer brenzliger wurde, bevor sich das Volk 1974 zur Nelkenrevolution erhob. Eigentlich hätte Antonio gut Koch werden können, aber die Musik erwies sich als krägtiger. Bras spielte schon als junger Mann in Bands, arbeitete als DJ und kam so uir Organisation von Veranstaltungen. „Dass ich mal ein Kochbuch schreibe, hätte ich nie im Leben gedacht“, sagt Antonio Bras in einem Interview seiner Heimatzeitung und freut sich darüber, dass andere Menschen seine Rezepte nachkochen.
Seine Küche im schwäbischen Sindelfingen ist voller Töpfe, Kochutensilien und Kochbücher. Schon als Kind hat er gerne in der Küche gestanden und die Küche der Heimat seiner Familie ist für ihn wie eine perfekte Komposition. Von der Pike auf gelernt hat er das Kochen nie, aber als der Münchener Verlag Gräfe und Unzer einen Koch für die portugiesische Landesküche suchte, zahlte es sich aus, dass er dort eine Lektorin kannte, die er mit ein paar Rezepten davon überzeugen konnte, ihm den Auftrag dafür zu erteilen, obwohl er sich eigentlich nur als Musiker einen Namen gemacht hat. Auch bei anderen Büchern der Länderreihe hat sich Gräfe und Unzer nicht wirklich darum bemüht, begabte und kreative Köche im Land selbst zu finden, die Gerichte ihrer Heimat vorstellen. Wahrscheinlich wollte man bei einem Buchpreis von unter 18 Euro auf die Kosten für die Übersetzung verzichten und setzte stattdessen auf Emigranten, die mit der Kochkunst nicht professionell verbunden sind. Wenn ein solches Unterfangen Erfolg haben soll, ist es natürlich notwendig, dass die Lektoren gute Kenntnisse von der Materie haben. Das mag manchmal der Fall sein, immer aber leider nicht.
Seine ersten Kocherfahrungen sammelte Bras als Kind bei seiner Patentante im Alentejo, die bevor sie auf dem Markt frische Zutaten kaufte schon einmal einen großen Tontopf mit Kartoffeln, der landestypischen Variante des Grünkohls und Oliven auf den damals noch mit Holz geheizten Herd stellte. So konnte nach dem Marktgang die fertige Suppe schnell auf dem Tisch stehen. Ungewöhnlich für einen kleinen Jungen schenkte ihm seine Mutter zum Geburtstag ein Kochbuch über die traditionelle Küche Portugals. Auch nach mehr als 40 Jahren hat es noch einen festen Platz in seiner Kochbuchsammlung und mit zahlreichen Lesezeichen hat er seine über die Jahre erprobten Lieblingsrezepte markiert. Heute braucht er die Rezepte eigentlich nicht mehr, denn er hat sie im Kopf, beziehungsweise verzichtet bewußt darauf, da er inzwischen herausgefunden hat, was zusammenpasst und ihm damit viel mehr Freiheiten offen stehen.
Natürlich finden sich in dem Kochbuch zahlreiche der traditionellen Rezepte Portugals, aber auch ein paar seiner Eigenkreationen konnte er darin unterbringen. |
Wer das Kochbuch kauft, um danach kochen zu können, sollte vorher überprüfen, ob er die Zutaten am Ort einkaufen kann. Zwar finden sich nicht nur rund um Stuttgart kleine portugiesische Läden, die Lebensmittel ihrer Heimat verkaufen, doch in der Provinz ist es oft schwierig, die Zutaten zu bekommen, da die portugiesische Küche im traditionellen Lebensmittelhandel keine hohen Stellenwert hat. Bestellungen im Internet sind meist teuer und nach unseren eigenen Erfahrungen nicht wirklich zu empfehlen. So können die Zutaten für eines von Bras ländlich geprägten Gerichte schnell einmal 50 bis 100 Euro kosten.
Trotz seiner geringen Größe hat Portugal eine sehr vielfältige traditionelle Küche, die auf einer großen Fisch- und Meeresfrüchtevielfalt, Fleisch, Gemüse, Reis und Kartoffeln basiert. Auch der Feijão, die Bohne, ist als wichtiger Bestandteil nicht wegzudenken. Zum Teil wird sie sogar für Süßspeisen verwendet. Überall im Land trifft man auf deftige Eintöpfe und Suppen, bei deren Zubereitung mit Olivenöl nicht gespart wird. Anders als im Süden des Landes im Alentejo und an der Algarve isst man im herben Norden gerne herzhaft mit Fleisch, um gut durch die dort vom Atlantik kommenden harten Winter zu kommen. Während im Süden oft Gazpacho, eine kalte Gemüsesuppe aus Tomaten, Gurken und Knoblauch serviert wird, ist es im Norden der Caldo verde („grüne Brühe“), die Bras von von seiner Patentante kennt. Immer wieder findet man in den Eintöpfen auch die Wurst Chouriço und das Maisbrot Broa.
Im ganzen Land liebt man die kalten und warmen Vorspeisen und Snacks, die man in Portugal Petiscos nennt. Als ehemalige Kolonialmacht kann man oft auch Einflüsse aus den ehemaligen Kolonien in Asien und Afrika finden. Die portugiesische Version der Tapas liegt gerade bei jungen Menschen im Trend. Frittierte Maiswürfel mit Kohlrabiblättern schlägt Bras darin unter anderem vor. Zu seinen Lieblingsrezepten zählen die Kalbskutteln aus Porto, ein Klassiker ist der Lissabonner Fischtopf. Die dicken Bohnen mit Fleisch und Chouriço, der scharfen Wurst, hat er erst kürzlich nachgekocht. Die traditionellen Fleischbällchen modernisierte er in einer vegetarischen Form, die Entenbrust in Zimtsoße ist seine eigene Idee. Sechs Monate hat Antonio Bras an dem Kochbuch gearbeitet, die Puddingtörtchen machten ihm am meisten zu schaffen: Eine Woche musste er dafür experimentieren.
Antonio Bras, Kochen wie in Portugal, Gräfe und Unzer, Hardcover, 144 Seiten, ISBN 978-3833875977, 17,99 Euro |