Man merkt es schon an den Preisen, die man beim Fischhändler oder im Restaurant inzwischen für Fisch bezahlt, dass die Nachfrage nach den beliebten Schwimmern hoch und das Angebot begrenzt ist. Manche fragen sich, ob Thunfisch und einige andere Fischarten die nächsten Jahre überleben. Sie mögen Tunfisch? Sie meiden ihn aber, weil er durch Überfischung gefährdet ist? Dann hätten wir eine interessante Alternative anzubieten: Eingelegte Schweineschulter auf toskanische Art, genannt Tonno del Chianti. Aufmerksam geworden sind wir darauf in der schnuckligen Prosciutteria e Convivio Prètto im Herzen Sienas. Dort achtet man auf kurze Lieferketten und die Thunfisch-Alternative aus der toskanischen Heimat wurde gerne in das kulinarische Angebot aufgenommen.
Ich habe beim sympathischen Koch gleich nach dem Rezept gefragt, denn es erinnert vom Aussehen und Geschmack sehr stark an Thunfisch und schmeckt genauso gut. Ob als Antipasto oder als Zutat im Salat ist das eingemachte Schweinefleisch eine erstklassige Alternative zum Thunfisch aus der Dose. Gerade deshalb ist die Methode der toskanischen Bauern Schweinefleisch zu konservieren sehr interessant. Am beliebtesten ist wahrscheinlich der Prosciutto Toscano, bei dem die Schweinekeulen beschnitten, gewürzt und bis zu zwei Jahren gereift werden. Wir haben gerade einen Besuch in einer der Produktionsstätten absolviert und darüber berichtet. Früher hatte man die Schweine zu Beginn des Winters geschlachtet und hatte dann in den kalten Wintertagen die Möglichkeit, den Schinken und die Würste langsam bei richtigen Temperaturen zu reifen. Problematisch war es im Sommer, wenn die Region unter einer Hitzeperiode ächzte, bei der nicht nur der Bauer, sondern auch seine Tiere litten. Manche davon starben aber auch überzählige Jungtiere wurden traditionell im in dieser Zeit geschlachtet.
Für Schinken fehlte damals die passende Kühltechnik. Zuerst wurde das Fleisch für den Tonno del Chianti gesalzen, dann in Streifen von der Größe eines doppelten Gulaschstücks geschnitten und langsam für vier bis fünf Stunden bei niedriger Temperatur in Trebbiano, dem weißen Landwein aus dem Chianti gekocht, um es dann mit der Gabel auseinanderzureißen und in Olivenöl einzulegen. Das Fleisch nimmt das eingeriebene Salz beim Kochen peu a peu auf. Früher ließ man es auf den alten Holzöfen langsam vor sich hin köcheln, heute bietet moderne Technik die Möglichkeit die Temperatur zu kontrollieren. Je mehr Zeit man dem Fleisch gönnt, um so zarter wird es. Heute wartet man nicht mehr auf den Tod, sondern schlachtet für den traditionellen Tonno del Chianti ein lattonzoli, wie dort die Spanferkel heißen.
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Wenn man es selbst einmal ausprobieren möchte, sollte man am besten Fleisch von der Schulter nehmen. Vorher einsalzen braucht man es nicht, denn man kann das Fleisch in einer Wein-Wasser-Mischung aufkochen, dem neben Zwiebel, Rosmarin, Fenchelsamen, schwarzer Pfeffer und Zitronensaft reichlich Salz (pro Kilo Fleisch etwa 100 Gramm) beigefügt wird. Wasser, Wein und Fleisch sollten ungefähr jeweils dieselbe Menge haben. Nachdem man es aufgekocht hat, sollte man auf niedrige Hitze um die 90° reduzieren und nicht erneut aufkochen. Wenn das Fleisch beim Tasten zerfällt, ist es Zeit es aus dem Sud herauszunehmen, abtropfen und entfetten zu lassen und in Einmachgläser mit Lorbeer und Zitronenschale on top zu geben und alles bis kurz unter dem Rand mit Olivenöl zu übergießen und dann im kochend heißen Wasser zu pasteurisieren. Man kann es gleich essen, kühl und dunkel gelagert, hält es aber auch rund ein Jahr.
Auch eine andere Zubereitungsart ist möglich, wenn man die zerkleinerte Schweineschulter in Öl konfiert. Die Technik ist inzwischen vor allem bei der sanften Zubereitung von Fisch sehr beliebt. Man kann das Fleisch auch nach Geschmack mit einem Rub einreiben, wie man es beim verwandten Pulled Pork macht, das langsam auf dem Grill weichgegrillt wird. Dazu eignet sich hervorragend das Vakuumieren des Fleischs, dass nach einer Nacht im Kühlschrank noch roh im Bräter mit Olivenöl bedeckt wird und darin rund 3 Stunden bei 100° C mit Knoblauch, Lorbeer und Thymian konfiert wird. Das Ergebnis ist vergleichbar mit dem Kochen im Weißwein und vielleicht noch eine Spur zarter.
Wenn Sie nicht selber kochen wollen, aber das Gebiet des Chianti Classico rund um Greve besuchen, sollten Sie unbedingt bei Dario Cecchini in Panzano vorbeischauen. Dario hat dort seine kleine Macelleria, also eine Metzgerei, die er vor fast fünfzig Jahren nach dem Tod seines Vaters übernehmen musste. Eigentlich wollte er ja Tierarzt werden, aber er schlug sich mit seiner offenen Art auch in der kleinen Dorfmetzgerei gut. Sting, der in der Nähe ein Weingut besitzt, ist mit ihm befreundet und kommt gerne zum Essen vorbei. Neben seiner Leidenschaft für Bistecca alla Fiorentina vom heimischen weißen Chianina-Rind, das man in seinen inzwischen drei Lokalen vor Ort in einer Art Erlebnisgastronomie genießen kann, gibt es in seinem Laden – der wegen der lauten Musik nicht zu übersehen ist – erstklassigen Tonno del Chianti zum Mitnehmen. Dario salzt das Fleisch vor dem Kochen ein paar Tage gründlich mit grobem Salz ein, stellt es in den Kühlschrank und spült das Salz ab und köchelt es dann fünf Stunden in Weißwein mit etwas Wasser, fügt hinterher beim Einlegen dem Extra Vergine Olivenöl noch Wacholderbeeren und Knoblauch hinzu und wartet 10 Tage bis er es verkauft oder serviert. Guten Appetit!
© Michael Ritter |