Auf Weinreise im Roussillon

Dorf im Roussillon

CC0 Pixabay

Weinbaugebiete und Weine des Roussillon

Perpignan

CC0 Pixabay

Irgendwie spürt man beim Besuch, dass die Region zwischen den Welten liegt. Im vergangenen Jahr hatte man Perpignan, die Hauptstadt des südfranzösischen Departements Pyrénées-Orientales zur European City of Wine erkoren. Das charmante Städtchen eignet sich für viele Besucher ideal als Standquartier für die Erkundung der vielfältigen kleinen Weinbaugebiete ringsum und atmet noch den Geist des historischen Okzitaniens, das sich einst von Spanien bis hin nach Italien über den Süden Frankreichs erstreckte. 2016 lebte diese die alte Region im Rahmen der Verwaltungsreform neu auf, indem man sie zur neuen von Toulouse aus geleiteten Verwaltungsregion machte, die aus den ehemaligen Regionen Languedoc-Roussillon und Midi-Pyrénées besteht. Mit altem neuem Namen – aber im deutlich reduzierten Umfang.

Die ursprüngliche Sprache der Region, das Okzitanisch, wird noch in verschiedenen Dialekten in der Region gesprochen, konnte aber in Frankreich nie den Status einer Amtssprache erringen, den man ihr im katalonischen Val d’Aran zuerkennt. Schon 120 Jahre bevor sich das Roussillon 1659 als Provinz Frankreich angliederte, hatte König Franz I. ein Edikt erlassen, dass nur die französische Sprache für offizielle Dokumente erlaubte. Es war die Sprache des herrschenden Nordens. Für die Bewohner der Region hat die gelebte Mehrsprachigkeit dennoch Vorteile, denn wohl nicht nur sprachlich stehen die Katalanen den Okzitaniern näher, als anderen Bewohnern der Iberischen Halbinsel.

Doch in dem Departement gibt es auch andere Dualitäten – die von Meer und Gebirge. Das Territorium bietet ein sehr vielseitiges Angebot an abgrenzbaren Zonen, die sich alles durch ihr warmes Klima und das reiche Angebot an Sonnenstunden auszeichnen und sich damit optimal für Weinbau eignen. Mit rund 2.600 Stunden Sonnenschein strahlt sie dort mehr als 1.000 Stunden länger als im Rheingau. Wie in einem Amphitheater mit Blick aufs Mittelmeer im Osten liegen sie an den Flanken der umgebenden Bergmassive Corbières, Pyrenäen und Albères. Einschnitte der Flüsse Agly, Têt und Tech setzen die Grenzen zwischen den unterschiedlichen Terroirs.

Schon weit vor Christi Geburt blühte die Region durch den Küstenhandel korinthischer Seeleute, die in den Buchten der Felsküste vor Anker gingen, sich dort ansiedelten und Eisen aus den Pyrenäen in ihre griechische Heimat brachten. Der mächtige Pic du Canigou war schon damals mit knapp 2800 Metern eine gute Navigationshilfe und der gut vom Meer aus erkennbare Gipfel galt Seefahrern im Mittelmeer als lange als höchster Berg ihrer Welt.

Mancher der korinthischen Siedler brachte auch Reben aus seiner Heimat mit, die gut gediehen. Der Universalgelehrte Plinius der Ältere galt schon im frühen ersten nachchristlichen Jahrhundert als Weinexperte und erforschte systematisch die Weine aus dem sich ausbreitenden römischen Weltreich. Sein Neffe und Stiefsohn Plinius der Jüngere schwärmte in einem Brief vom „Bienenwein“ aus der Muscat-Traube im Roussillon, quasi ein Vorgänger des Muscat de Rivesaltes. Eine Spezialität der Region ist der Vin Doux Naturel, bei dem im frühen Verlauf der Gärung diese durch Zugabe von Weingeist gestoppt wird. „Mutage“ – „stumm machen“ – nennt man die Technik, die Ende des 13. Jahrhunderts vom katalanischen Arzt und Pharmazeuten Arnald von Villanova entdeckt wurde, der den Weingeist in die abendländische Medizin einführte. 1299 dokumentierte sein Dienstherr König Jaume II von Mallorca in Perpignan deren Patentierung.

In den vergangenen Jahrhunderten machten die Rebflächen je nach politischen, ökonomischen Gründen oder durch Rebkrankheiten eine Achterbahnfahrt. Waren es 1741 nur 9.000 ha, so sollte sich die Fläche in den kommenden anderthalb Jahrhunderten mehr als verachtfachten. Als dann die Eisenbahn Rivesaltes erreichte, stand eigentlich dem weiteren Ausbau des Weinbaus im sonnigen Süden nichts mehr im Wege.

Doch die Träume vom Reichtum durch Wein zerstieben, als sich ein Feind aus den USA immer weiter ausdehnte. Mit derselben Brutalität wie einst die Pest und heute das Corona-Virus wanderte die Reblaus vom Nordamerika kommend über London nach Südfrankreich und weiter durch ganz Europa. Wo sie hinkam zerstörte sie die Weinberge, die binnen zehn Jahren um die Hälfte der Fläche wegbrachen. Besonders hart traf es Frankreich, das schon einige Jahrzehnte zuvor durch die Mehltaukrise in die Knie gezwungen worden war. Während die Experten um Louis Pasteur mit der chemischen Keule antworten wollten, setzte sich in Montpellier der Botaniker Jules Émile Planchon, der schon den Mehltau entdeckt und den Weg der Reblaus verifiziert hatte dafür ein, die europäischen Edelreben auf reblausresistenete amerikanische Unterlagen zu pfropfen, was nach wie vor als probates Mittel gilt, der Reblaus Paroli zu bieten. Mit gepfropften Weinbergen lebte dann der Weinbau neu auf. Wie im Taumel pflanzten die Winzer teils mit mechanischer Unterstützung neue Reben. Leider ging der quantitative Sprung auf Kosten der Qualität, weil oft minderwertige Rebsorten verwendet wurden. So konnte man zwar schnell den Durst der Welt auf Wein stillen, doch fehlten den meist großen Ernten leichter Weine der Geschmack. Bis zum Zweiten Weltkrieg schnellte die Rebfläche wieder auf den Stand von 1880 hinauf. Doch die geringe Qualität der Weine und das wachsende Angebot aus anderen Regionen sorgte schließlich erneut zu einer Verringerung der Rebfläche um rund zwei Drittel. Die erzeugten Hektoliter gingen seit den 1930er Jahren noch 4 Millionen Hektolitern sogar um 80 Prozent zurück.

Doch es war nicht nur mindere Qualität, die das Roussillon in diesen Jahrzehnten hervorbrachte. Das 1935 gegründete Institut National des Appellations d'Origine (INAO) erkor im Roussillon schon kurze Zeit später Rivesaltes, Maury und Banyuls zu AOCs, denen in den kommenden Jahrzehnten Muscat de Rivesaltes, Banyuls Grand Cru, Collioure, Côtes du Roussillon und Côtes du Roussillon Villages folgten. Damit wurden die Anstrengungen derjenigen Winzer belohnt, die wieder zu den alten Weinbergen auf heißen und trockenen Hängen zurückgekehrt waren, auf denen man geringere Mengen aber dafür hohe Qualität erzeugen kann. Rund 70 Prozent der heute hier produzierten Weine haben AOC-Status.

Collioure

CC0 Pixabay

Die Geographie der Region

Weinberge

(c) Michael Ritter

Mit gerade einmal zwei Prozent der nationalen Produktion landet Pyrénées Orientales mengenmäßig weit abgeschlagen auf dem neunten Platz der Departments. Doch bei den natürlichen Süßweinen zeigt sich ein anderes Bild: neun von zehn Flaschen der aus den AOPs der Vins Doux Naturels stammenden Weine Frankreichs stammen von hier. Daneben sind es eine breite Palette trockener Stillweine von weiß über rosa bis rot. Das Angebot der Weine aus 15 verschiedenen Rebsorten, die in den 13 AOPs gedeihen überzeugen durch ihre beeindruckende Vielfalt.

Neben den AOCs gibt es in der Region auch einige IGP-Weine mit geschützten geografischen Angaben, die nach der Zone, der Rebsorte oder dem Departement eingeteilt werden, doch die größte Besonderheit des Roussillon bilden die sehr unterschiedlichen geografischen Strukturen und Mikroklimata, bei denen man für jede der zugelassenen Rebsorte ein bevorzugtes Terroir für viel Charakter und erstklassige Qualität finden kann.

Wie schon gesagt, breitet sich das Roussillon quasi wie ein zum Mittelmeer hin öffnendes Amphitheater an den Flanken der Berghänge aus. Die Reben wurzeln dabei auf deren Sedimenten des Pliozäns und Quartärs. Auch durch die Flüsse zeigt sich ein stetiger Wechsel von Erosion und Akkumulation. In der Ebene haben sich nach der Auffaltung der Pyrenäen im Pliozän Sedimente unterschiedlicher Herkunft abgelagert, nachdem das Bassin immer wieder tektonischen Bewegungen ausgesetzt war. Im Quartär kam dann das Kontinentaldepots hinzu. Alles zusammen formte die aufsteigenden Terrassen entlang der Flüsse Tech, Têt und Agly. Die Hügel in der Region wurden meist durch die Erosion der Flüsse geformt.

Während die „Crest“ genannten Böden der unteren und mittleren Terrassen meist recht steinig sind, da Mineralien und Ton ausgewaschen wurde und sich die feuchte tonhaltige Schicht in der Tiefe unter der Steinschicht befindet, haben die Böden der oberen Terrassen nur eine geringere Tiefe. Dort brauchen die Wurzeln der Reben nicht durch in Zersetzung befindlichen Kiesel in tiefere Schichten vorzudringen. Oben herrscht eine sandige und steinige Textur vor, in der nur sehr wenig Wasser gespeichert wird. Das ist schlecht für die vegetative Entwicklung der Weinreben, aber gut für die Qualität. Daneben sind es die aus Trümmern des Pliozäns gebildeten waldreichen „Aspres“, ein vorgelagertes mediterranes Mittelgebirge, das für sehr vielseitige Böden sorgt. Sie sind zwar ziemlich grob, können aber ausreichen Wasser speichern.

Eine Besonderheit bilden die Böden in den Zonen der Vins Doux Naturels der AOCs Rivesaltes und Muscat de Rivesaltes, die zu den trockensten der ganzen Region gehören. Überhaupt sind die Steinarten bemerkenswert: Gneis und Granit, brauner Schiefer, sandiger Granit und Kalk

Collioure

CC0 Pixabay

Die Terrassen der Weinbaugebiete

Weinberg bei Banyuls

(c) Michael Ritter

Auf Terrassen liegen die Weinberge von Collioure und Banyuls. Der Felsuntergrund besteht aus kambrischem Schiefer. Schluchten und Hügel wechseln sich ab und die Weingärten liegen auf schmalen Terrassen auf Felsen und sauren, kargen Böden. Der hier im heißen sehr sonnigen Klima angepflanzte Grenache sorgt bei den Weinen für einen außergewöhnlichen Ausdruck. Der französische Bildhauer und Maler Aristide Maillol, der in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts zu einem der wichtigsten Antipoden Rodins wurde stammt aus einer Weinbauernfamilie im Fischerstädtchen Banyuls und als ich die Domaine Berta-Maillol vor Jahren besuchte, saß dort sein schon betagter Patron Yvon Berta vor dem Weingut, dessen Kinder inzwischen die operativen Geschäfte übernommen hatten. Der Großneffe Aristide Maillols erinnerte mit seinem beeindruckenden weißen Vollbart an den großen Künstler.

Demijohn

CC0 Pixabay

Die Schiefer von Maury

In den Reben

(c) Michael Ritter

Meist sind es verwitterte Schieferböden, die entlang des Agly den Boden formen. Dort liegt das Weingebiet von Maury mit seinen steilen Hügeln, an denen hauptsächlich Grenache Noir für rote Süßweine und kräftige Rotweine wächst. Weiter oben sind es Granit und nicht verwitterter Schiefer, der den Weinen ihren besonderen Charakter verleiht.

Die Sommer sind hier, wie im Rest des Roussillon meist trocken und heiß, was eine gute Reife der Trauben begünstigt, während Frühjahr und Herbst oft durch Regel geprägt sind. Rund 500 bis 600 mm Regen fallen dann oft in heftigen Gewittern, aber es gibt auch leichten Regen, der es den Böden erlaubt, wieder ein Reservoir für den trockenen Sommer anzulegen.

Rund 2.500 Stunden Sonnenschein im Jahr sorgen für eine mit 15 Grad ausgesprochen hohe Durchschnittstemperatur, die zweieinhalb Grad höher ist als im nahen Bordeaux und fast fünf Grad höher als im Rheingau. Die Reben nehmen sie gerne an. Wie überall im Midi haben auch die Winde ihre Namen, je nachdem aus welcher Richtung sie wehen. Ist es vom Nordwesten der kalte, trockene Tramontane, so kommt von Spanien her ein warmer trockener Wind und aus Südosten der warm-feuchte Marinade. Feuchtigkeit kann sich dank der vorherrschenden Trockenheit nicht lange halten – ein guter natürlicher Schutz gegen Pilzkrankheiten.

Alte Steinbrücke

CC0 Pixabay

Die Weinbergbearbeitung

Reben im Herbst

(c) Michael Ritter

Hatte man in der Hochphase des Weinbaus jedes kleine Stückchen Erde dafür genutzt, so sind es inzwischen meist die Hänge, die sehr viel qualitativere Weine hervorbringen. Auf kargen Hochebenen, trockenen Terrassen und Hügel dominiert er mancherorts die mediterrane Landschaft. Seit den frühen Zeiten hat sich hier oft nicht viel an der Erziehungsform geändert. Es ist die vielerorts rund ums Mittelmeer Erziehungsform des Gobelet, die Buscherziehung, die vorherrscht, bei der der kurze Rebschnitte nahe am Boden den alten Rebstöcken die Möglichkeit gibt, sich gegen den kräftigen Tramontane-Wind zu stämmen. Hatte man früher wenig Sorgfalt auf Ausrichtung und Abstand verwendet, so hat sich das seit den Neupflanzungen im vergangenen Jahrhundert geändert, um die Weinberge auch mit Pferd oder Maultier oder später mit dem Traktor bearbeiten zu können.

Eng stehen die Reben nicht. Ein Abstand von gut zwei Metern ermöglicht nur eine Pflanzdichte von bis zu 4.000 Stöcken pro Hektar. In neuerer Zeit findet man zunehmend auch eine höhere Pflanzdichte mit Spalieranbau an Drahtrahmen. Überhaupt sorgt die immer größere Kenntnis über den optimalen Weinbau bei den jungen Winzern zu einer noch intensiveren Pflege der Reben im Weinberg, wo in der Grünphase die Triebspitzen gekappt, die Reiser hochgebunden, die Blätter gelichtet und die Trauben frühzeitig ausgedünnt werden. Diese Sorgfalt setzt sich bei der Lese durch eine strenge Auswahl der Parzellen fort, um bei den Weinen die bestmöglichen Cuvées zu erzeugen.

Küstenörtchen

CC0 Pixabay

Nachhaltiges Roussillon

Traditionelles Buschanbau

(c) Michael Ritter

Es sind die Lehren des biologischen Weinbaus, die hier oft Berücksichtigung finden, wenn die Winzer sich mit geringeren Erträgen, gemäßigtem Wuchs und einer kargen Umgebung zufriedengeben. So kann man Parasiten verhindern, die Landschaft, Umwelt und Natur schützen. Oft findet man Winzer, die diesen umweltschonenden Anbau praktizieren und ihre Anzahl nimmt von Jahr zu Jahr ab. Der Verzicht auf Chemie verbessert die Böden, während die moderne Technik dabei hilft, Risiken durch Parasiten schnell zu erkennen und so nachhaltig wie möglich dagegen vorzugehen. Der Ertrag ist durch das extrem-warme Klima und die kargen Böden ohnehin auf rund 35 Hektoliter pro Hektar begrenzt, was fast halb so hoch ist wie der Durchschnittsertrag in Frankreich oder ein Drittel der Erträge in Deutschland.

Im Hintergrund die Pyrenäen

CC0 Pixabay

Die Rebsorten

Weinberge

(c) Michael Ritter

Mancher Winzer sagt, dass die Reben die Farbe der Böden widerspiegeln sollen, um seinen Charakter zu zeigen. Die Palette der möglichen Rebsorten ist für ein relativ kleines Gebiet recht groß. Bei den weißen Rebsorten sind es Grenache Blanc, Macabeu, Malvoisie du Roussillon, Muscat à Petits Grains, Muscat d’Alexandrie, Marsanne, Roussane und Vermentino, bei den roten Rebsorten Carignan Noir, Grenache Noir, Lladoner pelut, Mourvèdre, Syrah und Cinsault und für die Rosés Grenache Gris.

Einige dieser Rebsorten, wie den immer rarer werdenden aber qualitätsvolle Malvoisie du Roussillon und der Lladoner pelut stammen aus der Region, während die anderen ihre Ursprünge rund ums Mittelmeer haben.

Viele der weißen Rebsorten findet man in den Vins Doux Naturels wieder, obwohl auch der Grenache Noir dort großartige Weine ermöglicht. Auch der Carignan, den man mit alten Reben an manchen Stellen im Mittelmeerraum findet, liefert oft exzellente Weine, die es mit dem Grenache aufnehmen können. Für die IGPs sind auch mehr internationale französische Rebsorten wie Chardonnay, Merlot, Cabernet Sauvignon, Sauvignon Blanc und Viognier erlaubt.

Perpignan

CC0 Pixabay

Die Vins Doux Naturels

Maury von 1976

(c) Michael Ritter

Auf rund 40 Prozent der Gesamtrebfläche des Roussillon bauen die Winzer die Reben für die natürlichen Süßweine an, bei denen der Ertrag mit knapp 24 hl pro Hektar noch einmal um ein Drittel unter dem ohnehin niedrigen Durchschnittsertrag des Roussillon liegt. Die restlichen 60 Prozent Rebfläche teilen sich je zur Hälfe die AOCs und die Land- und Tafelweine.

Für die Vins Doux Naturels wird ein Teil des natürlichen hohen Zuckergehalts der Trauben im Wein gebunden, indem man die Gärung durch die Zugabe von fünf bis zehn Prozent 95-prozentigen Äthylalkohol stoppt, der aus Wein hergestellt wurde. Bei dieser „Mutage“ werden die Gärhefen abgetötet.

Die so entstehenden Weine haben statt den durch die Gärung erreichten 14,5 bis 18,9 Volumenprozent Alkohol einen Alkoholgehalt, der mit bis zu 23 Volumenprozent und einen Zuckergehalt von über 45 Gramm pro Liter eher als Likör erinnert.

Ausgebaut werden die Vins Doux Naturels entweder reduktiv unter Luftabschluss in Fässern und früh gefüllten Flaschen oder oxydativ mit jahrelanger Luftzufuhr in teilweise gefüllten Fässern oder Tanks oder den großen Demijohns genannten Glasballons und Holzfässern, die man in manchen Weingütern im Hof stehen sieht.

Ihre Herkunft haben alle natursüßen AOC-Weine im übergreifenden Anbaugebiet des Muscats de Rivesaltes, der die kleinen AOCs Banyuls und Banyuls Grand Cru an der Grenze zu Spanien im Süden und Maury im Norden einschließt. Die roten Süßweine werden dabei vom Grenache Noir dominiert, der beim Banyuls mindestens 50 Prozent, beim Banyuls Grand Crus, Maury und reduktiv ausgebauten Rivesaltes sogar 75 Prozent betragen muss. Bei den weißen Süßweinen sind es meist der Grenache Blanc und die Muscats.

Im Roussillon

CC0 Pixabay

Besuch bei den Winzern

Demijohns im Freien

(c) Michael Ritter

Wir beginnen unsere Weintour in dem kleinen Fischerort Coilloure, nur rund 20 Kilometer von der spanischen Grenze entfernt. Schon zu Beginn des letzten Jahrhunderts zog das kleine verschlafene Städtchen Künstler aus Paris magisch an. Henri Matisse und der zehn Jahre jüngere André Derain entdeckten den Ort für sich und teilweise zog es auch Maurice de Vlaminck ans Mittelmeer. Für alle drei wurde der Aufenthalt zum wichtigen Wendepunkt ihres Schaffens, denn sie entwickelten in der Zusammenarbeit einen Stil, der als Fauvismus in die Kunstgeschichte einging, die Klassische Moderne einläutete und bei dem Salon in Paris anfangs für Empörung sorgte. Der Begriff stammt vom Wort fauves für „wilde Bestien“, mit dem ein Pariser Kunstkritiker die Arbeiten verglich. Seine Wurzeln liegen im Impressionismus, dessen Flüchtigkeit die Künstler mehr Dauer verleihen wollten und ihn mit ihrer Sicht an den Expressionismus heranführten. Fasziniert hatte die Künstler die Abenddämmerung über Collioure, die farblich einen eigenen Zauber entwickelt. Statt dem mediterranen Rot der Orte weiter im Norden, dominierte hier Grün, Blau und Purpur, die die Landschaft dort, wo das Vorgebirge der Pyrenäen mächtig und steil aufragt und so das Abendrot aussperrt, in eine ganz eigene, subjektive Farbe taucht. Cotê Vermeille – Purpurküste – nennt man diesen südwestlichsten Abschnitt der französischen Mittelmeerküste. Die Touristiker haben sich den Geburtsort des Fauve zunutze gemacht und in dem einst von den Griechen gegründeten Ort 19 stählerne Bilderrahmen entlang des Chemin de Fauvisme an den Stellen aufgestellt, an denen die Künstler einst ihre Staffeleien platziert hatten und durch die man die Stellen der Stadt betrachten kann, die damals von Meisterhand gemalt in den wichtigsten Museen der Welt an Collioure erinnern. Auch Braque, Gris, Dufy und Picasso kamen später nach Collioure, um dort zu arbeiten.

Wie schon erwähnt stammt Matisses Zeitgenosse Maillol aus dem einige Kilometer südlich liegenden Banyuls. Im Mas Maillol arbeitete der Künstler bis zu seinem Tode am Ende des Zweiten Weltkriegs und liegt in dessen Garten begraben – unter einer seiner schönen Frauenbronzen.

Berühmt ist der Ort auch für seine Sardellen, die hier seit dem Mittelalter hergestellt und inzwischen mit geschützter geografischer Angabe IGP angeboten werden. Man bekommt sie gesalzen, in Salzlake und in Öl. Als König Ludwig XI. die Stadt 1466 von Ludwig XI. von der Salzsteuer befreite, nahem die Herstellung Fahrt auf, wovon noch die Konservenfabrik zeugt, wo sie in Salz eingelegt und geknetet werden, um so eine eigene Salzlake zu produzieren. Zusammen mit einer gegrillten Scheibe Brot, auf Pizza oder im Salat – ein Genuss.

Mit ihren 14 Hektar alten Weinbergen zwischen Banyuls und Collioure ist die 1982 gegründete Domaine de la Tour Vieille für die winzigen Parzellen auf den Terrassen recht groß. Vincent Cantié hat die alten und zum Teil schwindelerregend steilen Schieferterrassen oberhalb der Küste mit ihren Trockenmauern gepflegt und achtet auf naturnahe Produktion ohne Herbizide, ohne dies zertifizieren zu lassen. Wie in alten Zeiten arbeitet man dort noch mit dem Pferdepflug bearbeitet. Die Weine des Weinguts sind günstig aber gut und lassen neben der Sonne auch die salzige Kühle des Meeres schmecken. Natürlich werden die Trauben handgelesen. Der oxydativ ausgebaute Banyuls Reserva aus 80 % schwarzem Grenache, 15 % Grenache Gris und 5 % Carignan bringt 16 Volumen-Prozent Alkohol und passt mit seinen würzigen Noten von Pflaume, trockenen Früchten, Schokolade, Zimt und Mokka gut zu Roquefort, aber auch zu Schokoladendesserts. Ein Teil der traditionellen Cuvée lagert nach der 24-tägigen Maischegärung im Hof in den Demijohns genannten Glasballons, der Rest bis zu fünf Jahre im Holzfass.

Ein paar Kilometer südlich von Perpignan liegt die Domaine du Mas Becha des sympathischen Charles Perez am Rand des Pyrenäen-Vorgebirges Aspres. Die noch recht junge AOP Côtes du Roussilon Les Aspres ist für manchen Weinfreund noch ein Geheimtipp. Alt ist das Weingut nicht, erst Anfang des Jahrhunderts kauften seine Eltern das nicht sehr gepflegte Weingut mit 110 Land und jahrzehntealten Reben und brachten es mit viel Arbeit und massiven Geldeinsatz auf Vordermann. Charles übernahm 2008 die Leitung und setzte seine eigenen Ideen um. Knapp ein Viertel der Fläche steht unter Reben. Auch Charles agiert wie schon Vincent Cantié biologisch und naturnah und verzichtet auf alles, womit er den Charakter seiner Weine beeinflussen könnte, hat seine Produkte allerdings nach DE-ÖKO-006 zertifizieren lassen.

Der elegante, saftige Excellence 2017 ist eine Cuvée aus 60 % Syrah und je 20 % Grenache und Mourvèdre, eine Kombination, die ich seit meinen Reisen durch Australien sehr liebe. Ein Wein voll Charakter, der den Genießer mit seiner schönen Finesse ebenso begeistert, wie mit seiner Tiefe und den komplexen Aromen die sowohl Frische wie reife Frucht verkörpern. Schöne Noten von Kräutern, schwarzen Johannisbeeren, Brom- und Heidelbeeren. Großartige runde Tannine voller Tiefe machen ihn zu einem perfekten Begleiter der fleischhaltigen mediterranen Küche. Die kleinen, dickschaligen konzentrierten Beeren, die wenig Ertrag aber sehr konzentrierte, kraftvolle Weine ermöglichen werden handgelesen und nach dem Entrappen lange bei 14° C mazeriert und dann fermentiert.

(c) Michael Ritter

(c) Connaisseur & Gourmet 2021