Besuch im größten Weingut Polens
Noch vor wenigen Jahren hätten die meisten Weinfreunde es wohl noch für einen schlechten Witz gehalten, doch inzwischen lieben und kennen die Polen nicht nur guten Wein, wie ich bei zahlreichen Verkostungen im In- und Ausland im Gespräch mit polnischen Kollegen erfahren konnte, sondern sie bauen ihn auch selbst erfolgreich bis in den Norden des Landes an. Ein Besuch von Nilgün Burgucu bei Zbigniew Turnau und seinem Weingut in nordpolnischen Westpommern zeigt, die Region vom Klimawechsel profitiert und die Weine sich durchaus sehen lassen können.Bild (c) Nilgün Burgucu
Polens Boom beim Weinbau
Noch vor wenigen Jahren hätten die meisten Weinfreunde es wohl noch für einen schlechten Witz gehalten, doch inzwischen lieben und kennen die Polen nicht nur guten Wein, wie ich bei zahlreichen Verkostungen im In- und Ausland im Gespräch mit polnischen Kollegen erfahren konnte, sondern sie bauen ihn auch selbst erfolgreich bis in den Norden des Landes an. |
Auch wenn die Zentren des Weinbaus im Süden Niederschlesiens, der Karpaten und vor allem der Region rund um das 200 Kilometer südliche Zielona Góra, das alte Grünberg liegen, so tut sich auch im Norden einiges. Einst galt Grünberg als nördlichstes Weinbaugebiet Europas. Damals schrieb der Agrarwissenschaftler Wilhelm von Hamm, dass in Deutschland schwerlich ein Wein bekannter sei als der Grüneberger. „Es ist sein Name in den Volksmund übergegangen zur Bezeichnung eines rechten Rachenputzers, und wer als echter Weintrinker von ihm hört, der schüttelt sich.“ Als die Grünberger Ratsherren Geld für eine Hinrichtung sparen wollten, ertränkte man den verurteilten Räuber einfach im Wein, statt einen Henker anzuheuern. Mit dem Wegzug der deutschen Bevölkerung aus Schlesien, endete dort auch der Weinbau, denn die Volksrepublik legte keinen Wert darauf. Das hat sich geändert. Heute sind junge Polen neugierig auf polnischen Wein. |
Besuch in Polens größtem Weingut
Von Berlin aus sind es nicht einmal zwei Stunden Autofahrt nach Baniewicze. Beim Oderstädtchen Schwedt überquert man die Grenze und wird 20 Kilometer weiter landeinwärts von den zahlreichen gepflegten Rebstöcken überrascht, die Zbigniew Turnau dort vor nicht allzu langer Zeit angebaut hat. |
Zbigniew Turnau gehört mit seinem Weingut zu den Profiteuren des Klimawandels, aber ganz unbekannt ist der Weinbau auch in dieser Region nicht. Schon vor Jahrhunderten baute man in der Gegend Wein an, bis die Auswirkungen der Kleinen Eiszeit im 16. Und 17. Jahrhundert und die Reblaus im späten 19. Jahrhundert zur Aufgabe des Weinbaus zugunsten anderer Erzeugnisse führten. So verschwand auch der „gute Stettiner“, den einst Theodor Fontanes Eltern tranken. |
Erfolgreicher Eiswein
Als er im vergangenen Jahr seinen 2017er Johanniter Eiswein beim Internationalen PIWI Weinpreis einreichte, überzeugte der die Tester, die ihm als besten Wein der Verkostung mit 99 Punkten und Großem Gold auszeichneten. „Innerhalb weniger Stunden mussten wir bei eisigen -7° C mit 20 Mann gut 2,3 Tonnen Trauben lesen. Davon blieb nach der Pressung gerade mal ein Viertel übrig.“ |
Das zum Weingut umgewandelte Landgut mit seinen rund 200 Hektar Land erwarb er nach der Wende recht preiswert und baut dort neben Wein auch Obst, Raps und Getreide an. |
Schwierige Aufbauzeiten
Doch Zbigniew gab nicht klein bei. Er holte seinen Cousin Grzegorz Turnau mit ins Boot, der als Liedermacher einer der bekanntesten und beliebtesten Musiker Polens ist Sein Sohn Jacek, der in Posznan Lebensmittelwirtschaft studierte, kümmerte sich indessen um die Kontakte zum Ausland und um die Beschaffung von wichtigen EU-Fördergeldern und soll später einmal das Unternehmen übernehmen. |
Oft weisen sie eine geschmackliche Verwandtschaft zu eingeführten und bekannten Rebsorten auf, wie der an Chardonnay erinnernde Solaris. Außerdem bieten sie sich für den Ökoweinbau an, da man auf das Spritzen mit Fungiziden weitgehend verzichten kann. |
ORDENTLICHE WEINE AUS HYBRIDEN REBEN
Bei der Verkostung präsentiert Zbigniew Turnau sichtlich stolz seinen im kleinen Holzfass ausgebauten 2018er Riesling Barrique, der bei den auch in Polen sehr hohen Temperaturen gedieh und dennoch erstaunlich frisch, trocken und apfelfruchtig ist. 2019 erhielt er den Preis als bester Wein des Landes. Sein Preis ist mit 23 Euro zwar recht hoch, doch für einen Spitzenwein angemessen. Der Winzer ist zuversichtlich, dass solch gute Ergebnisse auch andere Weinbauinteressenten aus der Region in den Winzerjob locken, die dann hoffentlich weniger Probleme bei der Kreditaufnahme bekommen. Auch der 2018er Solaris kann begeistern. Der runde und süffige Wein hat zwar mit 13,5 % viel Alkohol, ist aber seit seiner Einführung ein Bestseller des Weinguts. Dazu eignet sich wegen der geringen Menge und des hohen Preises der Gewinner des PIWI-Wettbewerbs nicht: der Johanniter-Eiswein in der kleinen 0,375-Liter-Flasche, der schön nach Honigmelone und reifer Birne schmeckte. Sehr angenehm auch der 2016er Ambre, ein für drei Wochen auf der Haut fermentierter trockener Solaris mit bernstein-oranger Farbe und kraftvollen Aromen von reifen Äpfeln und Orangenschale. |
Mich begeisterte vor allem ein erstaunlich guter, an Himbeere, Lakritze und Schokolade erinnernder im Barrique ausgebauter 2018er Pinot Noir, den er uns bei der Verkostung im Weingut vorenthalten hatte. |
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