Literatur für Genießer und Reisende

Lütz/van Husen, Als der Wagen nicht kam

Manfred Lütz studierte Medizin, Philosophie und katholische Theologie in Bonn und Rom. Als Fachrazt für Nervenheilkunde, Psychatrie und Psychotherapie leitet er seit über 20 Jahren eine Kölner Fachklinik. Daneben ist der für sein soziales Engagement in der Inklusion auch lange Jahre Berater des Vatikan. Einem breiteren Publikum bekannt wurde der vielseitige Lütz neben Fernsehauftritten rund um den Vatikan durch teils satirisch zugespitzte Bücher rund um den Lebensstil und Auftritte als Kabarettist. In seinem neuen Buch greift er Familiengeschichte auf, die er über ein halbes Jahrhundert nach dem für das Stauffenberg-Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 in der Autobiografie seines darin verwickelten Großonkels Paulus van Husen entdeckte. Was er darin liest, zieht ihn sofort in den Bann. Der bis dahin unbekannte Bericht eines Zeitzeugen, den es immer wieder an die Brennpunkte der Geschichte des 20. Jahrhunderts verschlagen hatte, ist von großer historischer Bedeutung und glänzend geschrieben.

Nichts deutete darauf hin, dass Paulus van Husen einmal zum Verschwörer werden würde. Vor dem Ersten Weltkrieg hatte er unter anderem in Oxford und Genf noch ein unbeschwertes Studentenleben geführt, Sarah Bernardt auf der Bühne erlebt, das mondäne Strandleben auf Borkum genossen. Doch mit dem Ersten Weltkrieg, nimmt sein Leben eine erste Wendung. In einem Husarenstück eilt seine Elitedivision 1918 der Regierung Ebert in Berlin zu Hilfe. Als Mitglied der deutsch-polnischen Gemischten Kommission erlebt er beim Völkerbund in Genf Gustav Stresemann.

Mit den Nazis gerät er sofort aneinander. Wie er Goebbels und Keitel begegnet und dem eiskalten SS-Mörder Heydrich Auge in Auge widersteht, beschreibt er packend. Als Mitglied des Kreisauer Kreises hat er einen entscheidenden Moment mit dem Hitler-Attentäter Stauffenberg und am Ende überlebt er nur mit viel Glück. Nach dem Krieg wird er von Adenauer umworben und beschließt seine Karriere als erster Verfassungsgerichtspräsident Nordrhein-Westfalens.

Wie Paulus van Husen »dem Löwen auf den Schwanz tritt« und dann doch entwischt, das zu verfolgen, ist spannend wie ein Krimi. In seiner Einleitung lässt Manfred Lütz nicht nur den Menschen Paulus van Husen noch einmal lebendig werden, er verweist auch auf die hohe Aktualität der abenteuerlichen Lebensgeschichte eines Mannes, der sich erhobenen Hauptes der Barbarei entgegenstellte. „75 Jahre nach der Befreiungstat vom 20. Juli 1944 wird in diesen Texten eine Zeit wieder lebendig, in der auf der einen Seite hemmungsloser Hass und Menschenverachtung die Macht ergriff, aber andererseits Menschen, die sonst unscheinbar ihrem Beruf nachgegangen wären, sich vor ihrem Gewissen aufgerufen fühlten, Widerstand zu leisten – unter Einsatz ihres Lebens."

Manfred Lütz/Paulus von Husen, Als der Wagen nicht kam, Herder, Hardcover, 384 Seiten, ISBN 978-3451384219, 25 Euro

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