Stille in einer chinesischen Küche ist selten ein gutes Omen, denn meist ist sie mit jeder Menge Geräusche verbunden, wovon man sich bei Besuchen in China und den Besuch der dortigen Garküchen überzeugen kann. Da klirrt Metall auf Metall, wenn die Woks mit rasender Geschwindigkeiten gefüllt, über Gas heiß gemacht, über Tellern und Schalen ausgeleert und dann im Stapel abgestellt werden, darauf harrend, dass sie in der nächsten Pause geputzt und für den nächsten Einsatz vorbereitet werden.
Für mich warne bisher Reisen durch das Land der Mitte immer Abenteuertrips, bei denen ich jede Menge neuer Speisen entdecken konnte. Heute gehe ich voraussichtlich etwas vorsichtiger heran, denn die Chinesen neigen dazu, mit allem was kreucht und fleucht zu experimentieren und haben so auch das Corona-Virus aus der Büchse der Pandora entweichen lassen. Doch es gibt genügend Gerichte, bei denen man vertrauensvoll chinesische Rezepte mit heimischen Zutaten bereiten kann, ohne auf die magischen Kammern Chinas zurückgreifen zu müssen.
Wenn man nach Reisen durch China in ein chinesisches Restaurant in Europa oder den USA geht, fragt man sich schnell, was die einem dort vorgesetzten Gerichte mit authentischem China zu tun haben, was man in China selbst kennengelernt hat. Zu unterschiedlich sind die Essgewohnheiten und das wohl berühmteste „chinesische Gericht“ Chop Soey ist eine Erfindung für den amerikanischen Geschmack, das wohl kaum ein Chinese freiwillig essen würde. Oft liegt es daran, dass die Chinesen die fleischigen Zutaten zerkleinern, ohne die Knochen herauszunehmen. Oft hat man kleine Knochenstücke im Mund und kann sie schlecht ausspucken, da dieses in China durchaus geläufige Verhalten bei uns aneckt.
Doch trotz mancher Fragwürdigkeit lohnt die vielfältige chinesische Küche, die sich primär durch ihre kulinarischen Regionen definiert. Überwiegen in den kalten nördlichen Regionen abseits des Meeres Lammgerichte, Weizennudeln und Brot, so kommt gen Westen zunehmend Rindfleisch hinzu. Man spürt den Austausch mit der Küche Indiens und Persiens, findet Gewürze wie Kreuzkümmel und Chilischoten und Gerichte, die wie Kebabs auf Spießen präsentiert werden. Im mittelchinesischen Hunan liebt man es scharf und rotgeschmort. Die Nudeln weichen nach Süden dem Reis. Dominiert im Nordosten noch die Küche des ehemaligen Kaiserhofs mit Pekingente, so setzt man in Szechuan auf betäubend scharfen Pfeffer und Sesam. |
Im Osten an der Küste sind es schwarz fermentierte Bohnen, Hoisin- und Pflaumensauce mit Ingwer, Knoblauch und Frühlingszwiebeln, sowie entlang der Küste köstlicher Fisch und Meeresfrüchte.
Meine letzte Reise führte mich ins mittelchinesische Hunan, aus dem der Vorsitzende Maos stammt, der nicht nur dort inzwischen wieder mit einem Personenkult verehrt wird, der erschreckt. Es ist die Region des Rotschmorens, bei dem unter anderem Sternanis, Zimt und Sojasause karamellisiert werden. Maos Lieblingsgericht war rotgeschmorter Schweinebauch. Der kocht erst 5 Minuten in einem großen Topf mit viel Wasser, um alle Verunreinigungen auszuspülen und wird dann in kleine Happen geschnitten. Derweil erhitzt man im Wok Pflanzenöl mit Zucker bis er karamellisiert, füllt den Wok dann mit Reiswein, Wasser, Sojasauce, Ingwer, Gewürzen und Frühlingswiebeln auf und gibt schließlich das Fleisch hinzu. Nachdem es aufgekocht hat, köchelt es langsam weiter vor sich hin, bis das Fleisch und Gemüse herausgeschöpft, die Flüssigkeit weiter scharf eingekocht und dann über dem Fleisch und Gemüse verteilt wird. Wer sich beim Ergebnis fragt: „Was ist denn daran rot?“ sollte wissen, dass in China die Farbe Rot für Glück, Reichtum und Freude steht. Und Freude und Glück hatte nicht nur Mao bei diesem Gericht.
Der Autor Ross Dobson stammt aus einem Vorort von Sydney, der durch seine internationale Bewohner lebt. Besonders beeindruckte ihn die Küche seines Kindheitsfreunds Simon Chung aus Hongkong. Schon als Jugendlicher ging Ross zu einen chinesischen Kochkurs. Inzwischen hat er sich einen Namen als Autor von Kochbüchern wie Chinatown gemacht, aber auch die Küchen der Welt für sich und seine Leser entdeckt. Wenn er nicht gerade in einem seiner Restaurants und Cafés kocht, reist er gerne und erkundet neue Gerichte. In dem neuen Buch sind 100 authentische Gerichte zusammengestellt, die er allerdings mit weniger Aufwand umgesetzt hat. Darunter Klassiker wie spannende Neuentwicklungen. Ross hat darauf geachtet, dass alle Zutaten im Asiamarkt oder auch im heimischen Supermarkt erhältlich sind.
Ross Dobson, Chinesisch Kochen für Einsteiger – einfach, zugänglich, authentisch, DK-Verlag, Hardcover, 224 Seiten, ISBN 978-3831039869, 19,95 Euro |